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Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)

Titel: Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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es gemacht. Hast es … wirklich … gemacht.«
    Wirklich, dachte er. Was ist schon wirklich.
    »Also … danke«, sagte sie.
    Er schloss die Augen und hörte sie atmen, leise und leicht, während sie einschlief, und er spürte, dass er in dieser Nacht nicht würde schlafen können.

IN EINER ANDEREN ZEIT, AN EINEM ANDEREN ORT
16
    In der Nacht ging Mari Beck ins Internet und gab die Adresse ein, die sie notiert hatte. Ein Forum, in dem Unto sich offensichtlich aufgehalten hatte, kurz bevor sie gekommen war, und wenn sie die Sache in der Eile, als Unto das Sandwich aus dem Kühlschrank geholt hatte, richtig begriffen hatte, firmierte ihr Bruder unter dem Usernamen friend-of-fire- 1000 .
    Es dauerte eine Weile, bis sie die Anmeldemodalitäten durchschaut hatte, aber dann wurde sie als siebenhundertelfte Userin des Forums begrüßt und ihre Anmeldung als angel-in-darkness bestätigt. Der Thread, in dem Unto zuletzt gechattet hatte, ruhte, der letzte Beitrag war vor etwa einer Stunde gepostet worden. Mari Beck überflog die Texte, die eine Sprache zu sprechen schienen, die sie nicht verstand.
    –
    REB 2@friend-of-fire1000
    Geduld, Fokussierung, Identifikation mit der Sache. In der Hinsicht war er einzigartig. Das ist ein großer Mensch, aber die Leute wollen oder können es nicht sehen.
    Friend-of-fire1000@ REB 2
    Zustimmung meinerseits, REB 2. Was ABB betrifft, kann es sowieso keine zwei Meinungen geben. Der Mann ist GOTT .
    REB 2@friend-of-fire1000
    Lol. Long live ABB . Ist mal wieder spät geworden. Geisterstunde vorbei. Schlaft schön, Mitstreiter.
    –
    Noch nicht ganz, dachte Mari Beck und tippte ihren ersten Beitrag ein.
    –
    Angel-in-darkness@ REB 2
    Hei REB 2, ich bin neu hier und oute mich gleich mit blöden Fragen als Banause. Wer ist eigentlich dieser ABB , von dem ihr redet?
    –
    Sie tippte auf »senden« und wartete. Als nach zehn Minuten noch immer keine Antwort gekommen war, ging sie ins Bad, putzte sich die Zähne und zog sich aus, um schlafen zu gehen. Als sie den Laptop ausschalten wollte, flimmerte auf dem Bildschirm eine Antwort, von REB 2, wer immer das war, in jedem Fall einer der wenigen Menschen, mit denen ihr Bruder in diesen Tagen noch kommunizierte. Sie kniff die Augen zusammen und las.
    Hi angel-in-darkness. Das kannst du laut sagen, dass du ein Banause bist, wenn du nicht mal die ganz Großen kennst. Sei dir verziehen.
    ABB ist Anders Behring Breivik.
17
    Mitten in der Nacht. Telefon an, Mari ist dran. Warum gehst du nicht ran, Unto?, spricht sie, auf die Mailbox.
    Ich denke eine Weile darüber nach und könnte tatsächlich eine Antwort geben. Da wo du bist, bin ich nicht. Schwesterherz. Verstehst du?
    Nein?
    Gut, pass auf, ja???
    Ich bin jenseits der Zeit, wie du sie kennst. Ich bin an einem ANDEREN Ort.
    Nein, aha …
    Ok, hör zu: Du willst Pizza, aber ich hätte viel lieber einen gottverdammten
    – Frühstart
    einen schönen neuen
    – Weltkrieg
    Unto gegen alle heißt das Spiel, das du nicht mitspielen wirst, am Tag der ultimativen
    – Apokalypse

MAI
18
    Als Kimmo Joentaa am Morgen erwachte, war Larissa schon aufgestanden. Er hörte das Rauschen und Prasseln der Dusche, und nach einigen Minuten kam sie ins Zimmer, bekleidet nur mit einem riesigen Handtuchturban, den sie abnahm, als sie sich aufs Bett setzte.
    »Gut geschlafen?«, fragte er.
    Sie antwortete nicht. Er setzte sich aufrecht, positionierte sein Kissen so, dass er sich bequem dagegenlehnen konnte, und sah ihr dabei zu, wie sie sich anzog.
    »Du gehst … arbeiten?«, fragte er.
    Sie drehte sich langsam in seine Richtung, sah ihn an. »Natürlich gehe ich arbeiten.«
    »Nicht zum Eiskiosk am Marktplatz, vermute ich.«
    Sie lachte, verärgert. »Nein, Kimmo, denn die Eiskiosks am Marktplatz machen erst im Sommer auf, richtig?«
    Er nickte.
    »Ist es ok, wenn wir jetzt nicht über meine Arbeit reden? Jetzt nicht, und wenn möglich auch sonst nicht, also mit anderen Worten – gar nicht. Ist das ok für dich?«
    Er schwieg.
    »Ich weiß, dass du es nicht verstehst«, sagte sie. »Und ich verstehe es selbst nicht. Es ist einfach die Arbeit, die ich mache. Seit einer Reihe von Jahren. Ich lebe noch. Gut? Ok.«
    »Ok«, sagte er.
    Sie nickte und fuhr damit fort, sich anzuziehen. Das Outfit fürs Bordell hatte sie schon übergestreift, einen weißen, mit glitzernden Sternen verzierten Stringtanga mit dazu passendem Oberteil. Darüber eine Jeans und einen Hello-Kitty-Pullover, beides würde sie ablegen, bevor die ersten Kunden

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