Tage des letzten Schnees: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
zu tun hatte, dass vielmehr er, Markus, verantwortlich sei. Er fragte sich, ob nur ihn dieser Gedanke erleichterte oder ob sich tatsächlich auch Tainas Laune angesichts einer nahenden Krise hätte bessern können.
»Also … ein wenig macht mir diese Sache mit Kesken OY Sorgen«, sagte Markkanen. »Wie ist denn da jetzt die Strategie?«
Bergenheim öffnete die Augen und sah Sedin an, und Sedin wich zu spät aus. Er spürte den Aufprall hinter der Stirn, und sein Blick glitt zur Seite, in Richtung der Fenster, in die sonnige Winterwelt, die wie die Ahnung einer Sehnsucht vorüberflog.
13
Während sie am Gate auf den Abflug warteten, ging Bergenheim ganz im Krisenmanagement auf, und Markkanen saß gebückt auf einem Stuhl und sah so niedergeschlagen aus, wie Sedin als Hauptverantwortlicher für den in Schieflage geratenen Fonds hätte aussehen müssen.
Aber Sedin hörte die Anweisungen und Erwägungen und Problemlösungsideen, die Bergenheim in sein Smartphone diktierte, aus der Ferne und betrachtete sein dynamisches, zielorientiertes Auf- und Abgehen in der Abflughalle wie durch eine Milchglasscheibe.
Der Flieger startete verspätet, aber nur ein wenig, und hatte, als der Landeanflug eingeleitet wurde, die verlorene Zeit wieder aufgeholt. Der Kopilot war so begeistert darüber, dass er die Mitteilung drei Mal wiederholte, in diversen Sprachen, und auch in Helsinki schien die Wintersonne, als sie in die geräumige Limousine stiegen, in der sie über eine leere Autobahn fuhren. Bergenheim telefonierte unermüdlich in Sachen OptiRent, Markkanen telefonierte zwischenzeitlich mit seiner Frau, die sich, wenn Sedin das richtig mitbekam, beim Tennisspielen verletzt hatte.
»Knöchel verstaucht«, sagte Markkanen. »Oh Mann. Ich muss dann wahrscheinlich noch ins Krankenhaus.«
»So schlimm?«, fragte Bergenheim zwischen zwei Krisengesprächen, die er zunehmend gelassen abwickelte.
»Wird schon«, sagte Markkanen.
»Hm?«
»Meine Frau. Im Krankenhaus. Aber es wird schon, sie kann wohl am Abend nach Hause gehen.«
Nach Hause, dachte Sedin.
»Ach so. Gleiches gilt übrigens für Kesken OY «, sagte Bergenheim. »Leno hat das Portfolio jetzt austariert, und die Einschätzungen zur Fusion sind noch widersprüchlich. Also alles im Fluss …« Bergenheims Augen glänzten.
Alles im Fluss …, dachte Sedin, und dann parkte der Fahrer die Limousine vor dem Hauptgebäude, und Sedin dachte an den weinroten Aufzug in Ostende, während sie im gläsernen Aufzug der Norda-Bank in den zwölften Stock gehoben wurden.
Leno, einer der jüngeren Fondsmanager, erwartete sie, und seine Augen glänzten, wie die von Bergenheim geglänzt hatten. Alles im Fluss …, dachte Sedin, und Leno erläuterte, auf welche Weise es ihm gelungen war, den Schaden zu begrenzen und den Ausblick stabil zu halten. »Morgen direkt nach Börseneröffnung machen die eine Pressekonferenz, deren Inhalt mir in groben Zügen vorliegt. Wenn das so läuft wie geplant, schnellen Kesken OY nach oben.«
Was läuft schon wie geplant, dachte Sedin, und Bergenheim aß einen Mürbekeks mit Schokoladenüberzug, trank eine Cola und betrachtete für eine Weile die einsetzende Dunkelheit hinter den Glasfenstern, bevor er aufstand und erst Leno und dann Sedin auf die Schulter klopfte, und selbst Markkanen bekam einen sanften Klaps ab.
»Dann lasst uns nach Hause gehen«, sagte Bergenheim, atmete durch, wendete sich ab und ging, ohne noch mal zurückzusehen, mit strammen, zielgerichteten Schritten.
»Ja … dann bis morgen«, sagte Leno und ging, gefolgt von Markkanen, der Sedin zum Abschied lächelnd zunickte, und Sedin fragte sich, als er allein in dem von Glaswänden umgebenen Tagungssaal stand, ob diesem Lächeln eine Bedeutung hätte zugeordnet werden können. Vielleicht Erleichterung, weil der Kurssturz aufgefangen worden war. Oder Belustigung in Erinnerung an den netten Abend, den man gemeinsam verbracht hatte? In Ostende, mit belgischen Bankern, im Schneetreiben auf der Sonnenpromenade, vor der Kulisse des grauen Wassers, an irgendeinem anderen Ende der Welt, das Sedin schon entglitten war, obwohl er noch am Morgen dort gewesen sein musste. Er fuhr mit dem Aufzug nach unten und nach Hause.
Hinter den Fenstern brannte Licht, als er den Wagen in die Einfahrt steuerte. Er sah schon, als er auf das Haus zuging, Taina, die in der Küche stand. Ville kam auf ihn zugestürzt, Sekunden nachdem er die Tür geöffnet hatte, und rief: »Papa ist da!«
Markus Sedin lachte und
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