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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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einen Verweis, aber der General, selbst
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    ein Offizier der britischen Armee, ritt nicht weiter darauf herum.
    Irgendwie passierte Verrall nie etwas wirklich Ernstes, wie ungehörig er sich auch benahm. In ganz Indien, wo immer er stationiert war, hinterließ er eine Spur von gekränkten Leuten, vernachlässigten Pflichten und unbezahlten Rechnungen. Doch die Ungnade, die ihn hätte treffen sollen, verschonte ihn immer.
    Er schien durch einen Zauber unverwundbar zu sein, und nicht nur sein Titel rettete ihn. Vor etwas in seinem Blick schreckten Gläubiger, Burra Memsahibs und sogar Offiziere zurück.
    Es waren beunruhigende Augen, hellblau und ein bißchen
    vorstehend, aber außerordentlich klar. Sie musterten einen, wogen einen ab und befanden einen zu leicht, in einer einzigen kalten Prüfung von vielleicht fünf Sekunden. Wenn man von der richtigen Sorte war - das heißt Kavallerieoffizier und Polospieler
    -, wurde man akzeptiert und mit mürrischem Respekt behandelt; wenn man aber zu irgendeinem anderen Typ gehörte, wurde
    man so gründlich verachtet, daß Verrall es, auch wenn er
    gewollt hätte, nicht hätte ve rbergen können. Es machte auch nicht viel aus, ob man reich oder arm war, denn gesellschaftlich war er nur ein landläufiger Snob. Natürlich fand er wie alle Söhne reicher Familien Armut abstoßend und daß die Armen
    deshalb arm sind, weil sie abstoßende Gewo hnheiten vorziehen.
    Aber er verachtete Verweichlichung. Obwohl er für seine
    Garderobe märchenhafte Summen schuldig blieb, lebte er fast so asketisch wie ein Mönch. Er trainierte unaufhörlich und
    gnadenlos, schränkte seine Drinks und Zigaretten ein, schlief (in einem seidenen Schlafanzug) auf einem Feldbett und badete
    auch im kältesten Winter in kaltem Wasser. Reiten und
    körperliche Tüchtigkeit waren die einzigen Götter, die er kannte.
    Das Stampfen von Hufen auf dem Maidan, das kräftige,
    ausgeglichene Gefühl seines Körpers, wie ein Zentaur mit dem Sattel verwachsen, den Poloschläger federnd in der Hand - das war seine Religion, sein Lebensatem. Die Gewohnheiten der
    Europäer in Burma - versoffene, hurende, gelbgesichtige
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    Faulenzer - machten ihn geradezu krank. Seine vielfachen
    gesellschaftlichen Verpflichtungen, die er Schoßhündeleien nannte, ignorierte er einfach. Frauen verabscheute er. Seiner Ansicht nach waren sie so etwas wie Sirenen mit dem alleinigen Ziel, Männer vom Polo wegzulocken und sie in Tee-Geque ngel und Tenniskränzchen zu verstricken. Allerdings war er gegen Frauen nicht völlig unempfindlich. Er war jung, und Frauen fast aller Arten warfen sich ihm an den Hals; hin und wieder
    unterlag er. Aber bald ekelte ihn vor seinen Fehltritten, und wenn es zum Äußersten kam, war er fühllos genug, um seinen Schwierigkeiten zu entkommen, was während seiner zwei Jahre in Indien vielleicht ein dutzendmal geschehen war.
    Eine ganze Woche verging. Elizabeth war es nicht einmal
    gelungen, mit Verrall Bekanntschaft zu schließen. Es war so quälend! Jeden Tag gingen sie und ihre Tante morgens und
    abends zum Club, vorbei am Maidan und wieder zurück; und
    Verrall war da, schlug die Polobälle, welche die Sepoys für ihn warfen, und beachtete die beiden Damen überhaupt nicht. So nah und doch so fern! Was es noch schlimmer machte, war, daß keine der beiden Frauen es für anständig hielt, direkt darüber zu sprechen. Eines Abends sauste ein Poloball, zu fest geschlagen, durchs Gras und rollte vor ihnen über die Straße. Elizabeth und ihre Tante blieben unwillkürlich stehen. Aber nur ein Sepoy kam angerannt, um den Ball zu holen. Verrall hatte die Damen gesehen und hielt Distanz.
    Am nächsten Morgen blieb Mrs. Lackersteen stehen, als sie
    aus dem Tor traten. Sie hatte neuerdings ihre Rik scha
    aufgegeben. Unten auf dem Maidan war die Militärpolizei
    aufmarschiert, eine staubfarbene Reihe mit blitzenden
    Bajonetten. Verrall stand ihnen gegenüber, aber nicht in
    Uniform - er zog sie selten zur Morgenparade an, bei der
    Militärpolizei hielt er dies nicht für notwendig. Die beiden Damen sahen alles an, außer Verrall, verstanden es aber
    zugleich, in gewisser Weise ihn anzusehen.
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    »Das Unglückliche ist«, sagte Mrs. Lackersteen - ohne
    erkennbaren Zusammenhang, aber das Thema bedurfte keiner
    Einführung -, »das Unglückliche ist, fürchte ich, daß dein Onkel in Kürze einfach ins Lager zurück muß.«
    »Muß er wirklich?«
    »Ich fürchte, ja. Es ist so gräßlich im Lager in

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