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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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blauen Longyi, da an ein Paar Rubinohrringe, aber kaum an ein Gesicht oder einen Namen. Die Götter sind gerecht und machen aus unseren
    vergnüglichen Lastern (wahrhaftig, vergnüglich!) Werkzeuge für unsere Heimsuchung. Er hatte sich rettungslos beschmutzt, und dies war seine gerechte Strafe.
    Er bahnte sich langsam einen Weg durch das Krotongebüsch
    und um das Clubhaus herum. Er war zu benommen, um den
    vollen Schmerz der Katastrophe schon zu fühlen. Viel später würde es wie alle tiefen Wunden zu schmerzen beginnen. Als er
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    durch das Tor ging, raschelte etwas im Laub. Er fuhr zusammen.
    Er hörte ein Gewisper von rauhen burmanischen Silben.
    »Pikesan paylike! Pikesan paylike!"
    Er wandte sich heftig um. Das ›pikesan paylike‹ (Gib mir das Geld‹) wurde wiederholt. Er sah im Schatten des
    Goldmohurbaumes eine Frau stehen. Es war Ma Hla May.
    Wachsam, mit feindseliger Miene trat sie ins Mondlicht hinaus und blieb ein Stück entfernt, als fürchtete sie, daß er sie schlagen könnte. Ihr Gesicht war dick mit Puder bedeckt, ein kränkliches Weiß im Licht des Mondes, und es sah so häßlich aus wie ein Schädel, und herausfordernd.
    Sie hatte ihn sehr erschreckt. »Was zum Teufel machst du
    hier?« fragte er ärgerlich auf englisch.
    »Pikesan paylike!«
    »Was für Geld? Was meinst du? Warum verfolgst du mich?«
    »Pikesan paylike!« wiederholte sie fast kreischend. »Das Geld, das du mir versprochen hast, Thakin! Du gesagt, du willst mir mehr Geld geben. Ich will es jetzt, diesen Augenblick!«
    »Wie kann ich es dir jetzt geben? Du bekommst es nächsten
    Monat. Ich habe dir schon hundertfünfzig Rupien ge geben.«
    Zu seiner Bestürzung begann sie »Pikesan paylike« und eine Reihe ähnlicher Sätze mit lauter Stimme zu kreischen. Sie
    schien kurz vor einem hysterischen Anfall zu sein. Die
    Lautstärke des Geschreis, das sie hervorbrachte, war
    verblüffend.
    »Sei still! Sie werden dich im Club hören!« rief er, und gleich darauf bereute er, daß er sie auf diese Idee gebracht hatte.
    »Aha! Jetzt weiß ich, was dir Angst macht! Gib mir das Geld diesen Augenblick, oder ich schreie um Hilfe, und dann
    kommen sie alle heraus. Ra sch jetzt, oder ich schreie!«
    »Du Luder!« sagte er und machte einen Schritt auf sie zu. Sie entwischte ihm gewandt, riß ihren Pantoffel vom Fuß und stand
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    ihm trotzend gegenüber.
    »Mach schnell! Fünfzig Rupien jetzt und den Rest morgen.
    Heraus damit! Oder ich schreie so laut, daß sie es bis zum Basar hören!«
    Flory fluchte. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt für so eine Szene. Schließlich zog er seine Brieftasche, fand
    fünfundzwanzig Rupien darin und warf sie auf den Boden. Ma Hla May stürzte sich auf die Scheine und zählte sie.
    »Ich habe gesagt fünfzig Rupien, Thakin!«
    »Wie kann ich sie dir geben, wenn ich sie nicht habe? Denkst du, ich trage Hunderte von Rupien mit mir herum?«
    »Ich habe fünfzig Rupien gesagt!«
    »Ach, geh mir aus dem Weg!« sagte er auf englisch und
    drängte sich an ihr vorbei.
    Aber die elende Frau wollte ihn nicht in Ruhe lassen. Sie
    begann ihm die Straße entlang zu folgen wie ein ungehorsamer Hund und schrie dabei: »Pikesan paylike! Pikesan paylike!«, als könnte das bloße Geschrei das Geld hervorzaubern. Er eilte, teils um sie von dem Club wegzulocken, teils in der Hoffnung, sie abzuschütteln, aber sie schien bereit, ihm wenn nötig bis zum Haus zu folgen. Nach einer Weile konnte er es nicht mehr
    ertragen und wandte sich um, um sie zu verjagen.
    »Geh augenblicklich weg! Wenn du mir weiter folgst,
    bekommst du nie wieder eine Anna.«
    »Pikesan paylike!«
    »Du Idiotin«, sagte er, »was versprichst du dir davon? Wie kann ich dir das Geld geben, wenn ich keinen Pice bei mir
    habe?«
    »Das ist sehr wahrscheinlich!«
    Er fühlte hilflos in seinen Taschen nach. Er war so erschöpft, daß er ihr alles gegeben hätte, nur um sie loszuwerden. Seine Finger fanden sein Zigarettenetui, das aus Gold war. Er zog es
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    heraus.
    »Hier, wirst du gehen, wenn ich dir das gebe? Du kanns t es für dreißig Rupien verpfänden.«
    Ma Hla May schien zu überlegen, dann sagte sie mürrisch:
    »Gib es mir.«
    Er warf das Zigarettenetui ins Gras am Straßenrand. Sie
    packte es und sprang sofort zurück, ihre Beute an ihren Ingyi drückend, als fürchtete sie, daß er es ihr wieder wegnehmen könnte. Er wandte sich ab und ging zum Haus und dankte Gott, daß er aus dem Bereich ihrer Stimme heraus war. Das
    Zigarettenetui

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