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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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als auf hundert Meter Entfernung zu Gesicht bekommen. Es war eine große Enttäuschung
    gewesen, daß er am Abend seiner Ankunft nicht im Club
    erschienen war. Mr. Lackersteen war richtig ärgerlich, daß er sich für nichts und wieder nichts in seinen Smoking gezwängt hatte. Am nächsten Morgen ließ Mrs. Lackersteen ihren Mann eine zudringliche Note in den Dak-Bungalow überbringen, mit der Verrall in den Club eingeladen wurde; aber es kam keine Antwort. Weitere Tage vergingen, ohne daß Verrall Miene
    machte, sich der hiesigen Gesellschaft anzuschließen. Er hatte
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    sogar seine offiziellen Besuche versäumt, sich nicht einmal die Mühe genommen, in Mr. Macgregors Büro vorzusprechen. Der
    Dak-Bungalow war am anderen Ende der Stadt in der Nähe des Bahnhofs, und er hatte sich dort ganz gemütlich eingerichtet.
    Nach Vorschrift muß man einen solchen Bungalow nach einer
    bestimmten Anzahl von Tagen räumen, aber Verrall übersah
    diese Vorschrift behaglich. Die Europäer sahen ihn nur morgens und abends auf dem Maidan. Am zweiten Tag nach seiner
    Ankunft erschienen fünfzig seiner Männer mit Sicheln und
    mähten ein großes Stück des Platzes, auf dem man von da an Verrall hin und her galoppieren und Poloschläge üben sah. Die Europäer, die auf der Straße vorbeigingen, beachtete er nicht im mindesten. Westfield und Ellis waren wütend, und selbst Mr.
    Macgregor fand Verralls Benehmen ›unfreundlich‹. Sie alle
    wären einem ›Ehrenwerten‹ Leutnant zu Füßen gefallen, hätte er nur die geringste Höflichkeit gezeigt; aber so verabscheuten ihn alle, bis auf die beiden Frauen, von Anfang an. Adlige werden immer angebetet oder aber gehaßt. Wenn sie einen akzeptieren, so ist es reizende Schlichtheit, wenn sie einen übersehen, so ist es widerlicher Snobismus; dazwischen liegt nichts.
    Verrall war der jüngste Sohn eines Pairs und keineswegs
    reich, aber durch sein Geschick, Rechnungen erst zu bezahlen, wenn ein Zahlungsbefehl gegen ihn einging, brachte er es zu dem einzigen, woran ihm ernstlich etwas lag: Kleidung und
    Pferde. Er war mit einem britischen Kavallerieregiment nach Indien gekommen und zur Indischen Armee hinübergewechselt, weil es billiger war und ihm mehr Freiheit für Polo ließ. Nach zwei Jahren waren seine Schulden so enorm angewachsen, daß er in die Militärpolizei von Burma eintrat, in der es notorisch möglich war, Geld zu sparen; aber er verabscheute Burma -
    nicht ein Land für einen Reiter und Pferdekenner - und hatte sich schon um Zurückversetzung in sein Regiment beworben. Er war die Art Soldat, dem Versetzungen auf Wunsch gelangen.
    Inzwischen sollte er in Kyauktada nur für einen Monat bleiben,
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    und er hatte nicht die Absicht, sich auf all die kleinlichen Sahiblog des Distrikts einzulassen. Er kannte die Gesellschaft dieser kleinen burmanischen Stationen - ein widerliches
    Gesindel, affektiert, ohne Pferde, das sich bei den Damen
    einschmeichelte.
    Er verachtete sie.
    Sie waren jedoch nicht die einzigen Leute, die Verralls
    Verachtung traf. Es würde lange dauern, seine verschiedenen Verachtungen im einzelnen zu katalogisieren. Er verachtete die gesamte nichtmilitärische Bevölkerung von Indien,
    ausgenommen ein paar berühmte Polospieler. Er verachtete auch die gesamte Armee mit Ausnahme der Kavallerie. Er verachtete alle indischen Regimenter, Infanterie und Kavallerie
    gleichermaßen. Zwar gehörte er selbst zu einem
    Eingeborenenregiment, aber das geschah nur seiner eigenen
    Bequemlichkeit zuliebe. Er interessierte sich nicht für Inder, und sein Urdu bestand in der Hauptsache aus Flüchen, und alle
    Verben gebrauchte er in der dritten Person singular. Seine Militärpolizisten betrachtete er als nichts Besseres als Kulis.
    »Herrgott, was für gottverlassene Schweine!« hörte man ihn oft murmeln, wenn er bei der Inspektion die Reihen entlangritt, wobei der alte Subahdar ihm den Degen hinterhertrug. Verrall war sogar einmal wegen seiner unverblümten Ansichten über
    die Eingeborenentruppen in Schwierigkeiten geraten. Es war bei einer Parade, und Verrall befand sich in der Gruppe von
    Offizieren, die hinter dem General standen. Ein indisches
    Infanterieregiment näherte sich zum Vormarsch.
    »Das 18. Schützenregiment«, sagte jemand.
    »Und man sehe sie sich an«, sagte Verrall mit seiner mürrischen Knabenstimme.
    Der weißhaarige Hauptmann des 18. Regiments stand in der
    Nähe. Er errötete bis an den Hals und meldete Verrall dem
    General. Verrall erhielt

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