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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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dieser
    Jahreszeit! Oh, diese Moskitos!«
    »Kann er nicht ein bißchen länger bleiben? Vielleicht eine Woche?«
    »Ich kann mir nicht denken, wie. Er ist jetzt fast einen Monat im Quartier gewesen. Die Firma wäre wütend, wenn sie es hörte.
    Und natürlich werden wir beide mit ihm gehen müssen. Ach,
    wie lästig! Die Moskitos - einfach schrecklich!«
    Allerdings schrecklich! Fortgehen müssen, bevor Elizabeth Verrall auch nur kennengelernt hatte! Aber sie würden bestimmt mit müssen, wenn Mr. Lackersteen ins Lager ging. Es war
    einfach unmöglich, ihn sich selbst zu überlassen. Der Satan findet immer irgendwelchen Unfug, selbst im Dschungel. Eine kleine Welle wie Feuer lief die Linie der Sepoys entlang; sie machten ihre Bajonette los, bevor sie abmarschierten. Die
    staubige Formation machte links kehrt, grüßte und marschierte in Viererreihen ab. Die Ordonnanzen traten mit den Ponies und Poloschlägern aus den Reihen der Polizisten. Mrs. Lackersteen faßte einen heroischen Entschluß.
    »Ich glaube«, sagte sie, »wir gehen einen Abkürzungsweg
    über den Maidan. Es geht so viel schneller, als wenn man auf der Straße drum herum geht.«
    Der Weg war etwa fünfzig Meter kürzer, aber niemand ging
    ihn zu Fuß wegen der Grassamen, die sich an die Strümpfe
    setzten. Mrs. Lackersteen stieg kühn mitten ins Gras und ging dann, ohne die Richtung auf den Club hin auch nur
    vorzutäuschen, schnurstracks auf Verrall los, mit Elizabeth im Schlepptau. Beide Damen wären lieber auf der Folterbank
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    gestorben als zuzugeben, daß sie etwas anderes beabsichtigten als eine Abkürzung. Verrall sah sie kommen, fluchte und zügelte sein Pony. Er konnte sie jetzt, da sie ganz offensichtlich auf ihn los kamen, nicht gut schneiden. Die verdammte Unverfrorenheit dieser Weiber! Er ritt ihnen langsam entgegen mit mürrischem Gesichtsausdruck, den Poloball mit kleinen Schlägen vor sich hertreibend.
    »Guten Morgen, Mr. Verrall!« rief Mrs. Lackersteen mit
    süßlicher Stimme aus zwanzig Meter Entfernung.
    »Morgen! « erwiderte er unwirsch ; er hatte ihr Gesicht
    gesehen und sie als eine der üblichen hageren alten
    Suppenhühner einer indischen Station abgetan.
    Im nächsten Augenblick wurde Elizabeth neben ihrer Tante
    sichtbar. Sie hatte die Brille abgenommen und schwenkte ihren Terai in der Hand. Was machte ihr ein Sonnenstich schon aus?
    Sie wußte ganz genau, wie hübsch sie mit dem
    kurzgeschnittenen Haar aussah. Ein Windstoß - oh, diese
    segensreichen Luftzüge, die an diesen drückend heißen Tagen aus dem Nichts kamen! - hatte ihr Baumwollkleid gepackt und an ihren Körper geblasen und umriß ihre Figur, schlank und kräftig wie ein Baum. Ihr plötzliches Auftauchen neben der älteren, von der Sonne ausgedörrten Frau war für Verrall eine Offenbarung. Er zuckte derart zusammen, daß die Araberstute es spürte und sich auf den Hinterbeinen aufgebäumt hätte, so daß er den Zügel straffen mußte. Bis zu diesem Augenblick hatte er, ohne sich um Auskunft überhaupt zu bemühen, gar nicht
    gewußt, daß es in Kyauktada auch junge Frauen gab.
    »Meine Nichte«, sagte Mrs. Lackersteen.
    Er antwortete nicht, hatte aber den Poloschläger weggeworfen und nahm sein Topi ab. Ein Weilchen starrten er und Elizabeth einander unverwandt an. Ihre frischen Gesichter waren makellos in dem erbarmungslosen Licht. Die Grassamen kitzelten
    Elizabeths Schienbeine, so daß es eine Qual war, und ohne ihre
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    Brille konnte sie Verrall und sein Pferd nur als
    verschwommenen weißen Fleck sehen. Aber sie war glücklich, glücklich! Ihr Herz klopfte, und das Blut stieg ihr ins Gesicht und verlieh ihm die Farbe eines zarten Aquarells. Der Gedanke
    »Ein Pfirsich, bei Gott!« fuhr Verrall fast heftig durch den Kopf.
    Die mißmutigen Inder, die die Köpfe der Ponies hielten, starrten neugierig auf die Szene, als ob die Schönheit der beiden jungen Leute sogar sie beeindruckt hätte.
    Mrs. Lackersteen brach das Schweigen, das eine halbe Minute gedauert hatte.
    »Wissen Sie, Mr. Verrall«, sagte sie schelmisch, »wir finden es recht unfreundlich von Ihnen, uns arme Leute die ganze Zeit so zu vernachlässigen. Wo wir uns doch so nach einem neuen Gesicht im Club sehnen.«
    Er sah noch immer Elizabeth an, als er antwortete, aber sein Ton hatte sich bemerkenswert verändert.
    »Ich wollte schon seit ein paar Tagen kommen. Hatte so
    fürchterlich viel zu tun - meine Männer in ihren Quartieren unterbringen und all das. Entschuldigen Sie«, setzte

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