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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Tränen um seinen Tod.
    Andererseits war niemand wirklich erfreut, bis auf U Po Kyin.
    »Das ist geradezu ein Geschenk des Himmels!« sagte er zu
    Ma Kin. »Ich hätte es selbst nicht besser arrangieren können.
    Das einzige, was ich brauchte, damit sie meinen Aufstand ernst nahmen, war ein bißchen Blutvergießen. Und da haben wir es!
    Ich sage dir, Ma Kin, jeden Tag wächst meine Gewißheit, daß eine höhere Macht für mich arbeitet.«
    »Ko Po Kyin, du bist wahrhaftig schamlos! Ich weiß nicht,
    wie du es wagen kannst, so etwas zu sagen. Schaudert es dich nicht, daß ein Mord auf deiner Seele liegt?«
    »Was? Ich? Mord auf meiner Seele? Wovon redest du? Ich
    habe in meinem ganzen Leben nicht einmal ein Huhn getötet.«
    »Aber du profitierst von dem Tod dieses armen Jungen.«
    »Profitieren! Natürlich profitiere ich davon. Und warum nicht, wenn ich fragen darf? Bin ich daran schuld, wenn jemand anders einen Mord begeht? Der Fischer fängt Fische und wird dafür verdammt. Aber werden wir verdammt, weil wir den Fisch
    essen? Bestimmt nicht. Warum den Fisch nicht essen, wenn er einmal tot ist? Du solltest die Heiligen Schriften sorgfältiger studieren, meine liebe Kin Kin.«
    Die Beisetzung fand am nächsten Morgen vor dem Frühstück
    statt. Alle Europäer waren anwesend bis auf Verrall, der fast gegenüber dem Friedhof genauso wie üblich über den Platz
    galoppierte. Mr. Macgregor hielt die Grabrede. Die kleine
    Gruppe von Engländern stand um das Grab, das Topi in der Hand, sie schwitzten in ihren dunklen Anzügen, die sie aus der Tiefe ihrer Kisten herausge graben hatten. Das grelle
    Morgenlicht prallte erbarmungslos auf ihre Gesichter, die in den
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    häßlichen, schäbigen Anzügen gelber denn je aussahen. Alle Gesichter bis auf das von Elizabeth sahen faltig und alt aus. Dr.
    Veraswami und ein halbes Dutzend andere Orientalen waren
    gekommen, aber sie hielten sich taktvoll im Hintergrund.
    Sechzehn Grabsteine standen auf dem kleinen Friedhof;
    Angestellte von Holzfirmen, Beamte, Soldaten, die in
    vergessenen Scharmützeln gefallen waren.
    »Dem Gedenken von John Henry Spagnall, vormals bei der
    Indischen Imperialen Polizei, geweiht, der während unablässiger Pflichterfüllung von Cholera dahingerafft wurde« usw. usw.
    Flory erinnerte sich undeutlich an Spagnall. Er war ganz
    plötzlich im Lager nach seinem zweiten Schub von Delirium
    tremens gestorben. In einer Ecke waren ein paar Gräber von Eurasiern mit Holzkreuzen. Der rankende Jasmin mit winzigen orangenherzigen Blüten hatte alles überwuchert. Zwischen dem Jasmin führten große Rattenlöcher in die Gräber hinab.
    Mr. Macgregor beendete die Trauerfeier mit voller,
    ehrfürchtiger Stimme und ging, sein graues Topi - die östliche Entsprechung zum Zylinder - an den Magen gedrückt, den
    anderen voran aus dem Friedhof. Flory verweilte am Tor in der Hoffnung, daß ihn Elizabeth ansprechen würde, aber sie ging ohne einen Blick an ihm vorbei. Alle hatten ihn heute morgen gemieden. Er stand in Ungnade; der Mord hatte seine Illoyalität von gestern abend irgendwie grausig erscheinen lassen. Ellis hatte Westfield beim Arm genommen, und sie blieben neben
    dem Grabe stehen und nahmen ihre Zigarettenetuis heraus. Flory konnte ihre saloppen Stimmen über das offene Grab hinweg
    hören.
    »Mein Gott, Westfield, mein Gott, wenn ich denke, daß dieser arme kleine Bursche da unten liegt - ach, mein Gott, mir kocht das Blut! Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, so wütend war ich.«
    »Ziemlich gräßlich, geb ich zu. Aber laß man, ich verspreche
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    dir, daß ein paar Burschen dafür hängen sollen. Zwei Leichen gegen eine - das Beste, was wir tun können.«
    »Zwei! Es sollten fünfzig sein! Wir müssen Himmel und
    Hölle in Bewegung setzen, damit diese Kerle gehängt werden.
    Hast du schon ihre Namen?«
    »Ja, so ziemlich! Der ganze verfluchte Distrikt weiß, wer’s gewesen ist. In solchen Fällen wissen wir immer, wer es getan hat. Die verfluchten Bauern zum Reden bringen - das ist die einzige Schwierigkeit.«
    »Ja, um Gottes willen, dann bring sie diesmal zum Reden.
    Kümmere dich nicht um das verdammte Gesetz. Prügle es aus
    ihnen heraus. Foltere sie alles. Wenn du Zeugen bestechen
    willst, kann ich hundert Mäuse springen lassen.«
    Westfield seufzte. »So was kann ich nicht machen, fürchte
    ich. Ich wollte, wir könnten’s. Meine Jungs wüßten schon, wie man einen Zeugen ausquetscht, wenn man’s ihnen befiehlt. Sie auf einen

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