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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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setzte sich.
    »Ruf doch jemand den Butler, um Himmels willen«, sagte
    Mr. Lackersteen. »Ich trau mich nicht, meine Alte könnte es hören.«
    »Bevor wir uns der Tagesordnung zuwenden«, sagte Mr.
    Macgregor, als er einen Drink abgelehnt hatte und die anderen einen genommen hatten, »nehme ich an, Sie möchten den
    Geschäftsbericht für das Halbjahr hören?«
    Sie wollten es nicht unbedingt, aber Mr. Macgregor, der
    solcherlei Dinge genoß, gab den Rechenschaftsbericht mit
    großer Gründlichkeit. Florys Gedanken wanderten. Im nächsten Augenblick würde es solch einen Krach geben - oh, ja, einen teuflischen Krach! Sie würden wütend sein, wenn er den Doktor
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    nun doch vorschlug. Und Elizabeth war im Nebenzimmer. Gott geb’s, daß sie den Krach nicht hörte, wenn er losging. Sie würde ihn noch mehr verabscheuen, wenn sie vernahm, wie die
    anderen ihn verhöhnten. Würde er sie heute abend sehen?
    Würde sie mit ihm sprechen? Er blickte über die Viertelmeile des glitzernden Flusses hinüber. Am anderen Ufer wartete ein Haufen Männer, darunter einer mit einem grünen Gaungbaung, neben einem Sampan. Auf dem Kanal bei dem hiesigen Ufer
    kämpfte eine große, plumpe indische Barke mit verzweifelter Langsamkeit gegen die starke Strömung. Bei jedem Schlag
    rannten die zehn Ruderer, drawidische Hungerleider, nach vorn und tauchten ihre langen, primitiven Ruder mit herzförmigen Blättern ins Wasser. Sie spannten ihre mageren Körper an, dann zerrten sie, krümmten sich, bogen sich rückwärts wie gequälte Geschöpfe aus schwarzem Gummi, und der schwerfällige
    Schiffskörper kroch einen oder zwei Meter weiter. Dann
    sprangen die Ruderer keuchend wieder nach vorn und tauchten ihre Ruder wieder ein, bevor die Strömung sie zurückwarf.
    »Und jetzt«, sagte Mr. Macgregor mit ernsterer Miene,
    »kommen wir zum Höhepunkt der Tagesordnung. Das ist
    natürlich diese - äh - unangenehme Frage, der wir leider ins Auge sehen müssen, nämlich die Wahl eines Eingeborenen als Clubmitglied. Als wir früher über die Angelegenheit gesprochen haben -«
    »Was zum Teufel!«
    Ellis war es, der unterbrochen hatte. Er war so erregt, daß er aufgesprungen war.
    »Was zum Teufel! Wir werden doch wohl damit nicht wieder anfangen? Über die Wahl eines verdammten Niggers in diesen Club reden, nach allem, was passiert ist! Lieber Gott, ich glaubte, selbst Flory wäre mittlerweile anderen Sinnes
    geworden!«
    »Unser Freund Ellis scheint überrascht. Die Angelegenheit ist
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    schon früher diskutiert worden, glaube ich.«
    »Das meine ich wohl, daß sie schon früher diskutiert worden ist! Und wir alle haben gesagt, wie wir darüber denken. Bei Gott
    -«
    »Wenn unser Freund Ellis sich für einen Augenblick
    hinsetzen würde -« sagte Mr. Macgregor nachsichtig.
    Ellis warf sich wieder in seinen Sessel und rief: »Verdammter Unsinn!« Jenseits des Flusses konnte Flory sehen, wie sich die Gruppe von Burmanen einschiffte. Sie hoben ein langes,
    plumpes Bündel in den Sampan. Mr. Macgregor hatte aus seinen Akten einen Brief herausgesucht.
    »Vielleicht sollte ich lieber erklären, wie sich diese Frage überhaupt erhoben hat. Der Kommissar sagte mir, daß von der Regierung ein Rundschreiben herumgeschickt worden ist mit
    dem Vorschlag, daß in den Clubs, die keine eingeborenen
    Mitglieder haben, mindestens einer hinzugewählt werden soll; das heißt, automatisch aufgenommen werden soll. In dem
    Rundschreiben heißt es - ach ja! hier ist es: ›Es ist falsche Politik, eingeborene Beamte von hohem Rang gesellschaftlich zu brüskieren.‹ Ich darf wohl sagen, daß ich ganz entschieden nicht damit einverstanden bin. Das gilt zweifellos für uns alle.
    Wir, die wir die praktische Regierungsarbeit leisten, sehen die Dinge sehr anders als diese - äh - Sonntagsabgeordneten, die uns von oben her hereinreden. Der Kommissar ist derselben
    Meinung wie ich. Dennoch -«
    »Aber das ist doch alles verdammter Quatsch!« unterbrach
    ihn Ellis. »Was hat das mit dem Kommissar oder sonst jemand zu tun? Können wir denn in unserem verdammten Club nicht
    mehr tun, was wir wollen? Die haben kein Recht, uns
    außerdienstliche Vorschriften zu machen.«
    »Richtig«, sagte Westfield.
    »Ihr kommt mir zuvor. Ich habe dem Kommissar gesagt, daß
    ich die Angelegenheit den anderen Mitgliedern unterbreiten
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    muß. Und er schlägt folgenden Kurs vor. Wenn der Gedanke im Club irgendwie Unterstützung findet, meint er, es wäre besser, unser eingeborenes

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