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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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sofort erschien.
    »Bring die Wahlurne und die Kugeln. Nun raus mit dir!«
    setzte er grob hinzu, als der Butler gehorcht hatte.
    Die Luft war sehr stickig geworden; aus irgendeinem Grunde hatte der Punkah aufgehört zu funktionieren. Mr. Macgregor stand mit mißbilligender, aber unparteiischer Miene auf und nahm die beiden Fächer mit den schwarzen und weißen Kugeln aus der Wahlurne.
    »Wir müssen ordnungsgemäß vorgehen. Mr. Flory hat Dr.
    Veraswami, den Zivilchirurgen, als Mitglied dieses Clubs
    vorgeschlagen. Ein Fehler, meiner Ansicht nach, ein großer Fehler; dennoch -! Bevor wir darüber abstimmen -«
    »Ach, warum denn soviel Umstände?« sagte Ellis. »Hier ist
    -274-
    meine Stimme! Und noch eine für Maxwell.« Er warf zwei
    schwarze Kugeln in die Urne. Dann ergriff ihn einer seiner plötzlichen krampfhaften Wutanfälle, und er nahm den Kasten mit den weißen Kugeln und schleuderte sie auf den Fußboden.
    Sie flogen in alle Richtungen. »Da! Jetzt lies eine auf, wenn du eine haben willst!«
    »Du verdammter Idiot! Was glaubst du soll das nützen?«
    »Sahib!«
    »Was ist?« fragte Westfield.
    Alle traten ans Fenster. Der Sampan, den Flory am anderen
    Flußufer gesehen hatte, lag jetzt am diesseitigen Ufer am Fuß des Rasens, und einer der Männer klammerte sich an einen
    Busch, um ihn in Ruhe zu halten. Der Burmane in dem grünen Gaunghaung kletterte heraus.
    »Das ist einer von Maxwells Förstern!« sagte Ellis in ganz verändertem Ton. »Mein Gott! Da ist etwas passiert!«
    Der Förster sah Mr. Macgregor, verbeugte sich eilig und
    geistesabwesend und wandte sich wieder zu dem Sampan. Vier andere Männer, Bauern, stiegen nach ihm aus und hoben mit
    Mühe das seltsame Bündel, das Flory in der Ferne gesehen
    hatte, an Land. Es war sechs Fuß lang und wie eine Mumie in Tücher gehüllt. Jeder fühlte, wie sich etwas in seinem Innern zusammenzog. Der Förster blickte zur Veranda hinauf, sah, daß es keinen direkten Zugang gab, und führte die Bauern rund um das Clubhaus zur Vorderseite. Sie hatten sich das Bündel auf die Schultern geladen, wie die Träger bei einem Begräbnis den Sarg tragen. Der Butler war wieder in den Salon geflitzt, und selbst sein Gesicht war auf seine Art blaß - nämlich grau.
    »Butler!« sagte Mr. Macgregor scharf.
    »Sir!«
    »Geh schnell und mach die Tür zum Spielzimmer zu. Halte
    sie verschlossen. Die Memsahibs brauchen das nicht zu sehen.«
    -275-
    »Ja, Sir!«
    Die Burmanen mit ihrer Last kamen schwerfällig den Gang
    entlang. Als sie eintraten, stolperte der Führer und fiel beinahe hin; er war auf eine der weißen Kugeln getreten, die am Boden verstreut lagen. Die Burmanen knieten nieder, senkten ihre Last auf den Boden und blieben daneben mit seltsam ehrfürchtigen Mienen stehen, leicht vorgebeugt, die Hände zu einem Shiko gefaltet. Westfield war auf die Knie gefallen und zog das Tuch zurück.
    »Du lieber Himmel! Seht ihn nur an!« sagte er, aber nicht
    besonders überrascht. »Seht euch den armen kleinen -!«
    Mr. Lackersteen hatte sich mit einem blökenden Laut ans
    andere Ende des Raumes zurückgezogen. Von dem Augenblick
    an, als das Bündel an Land gehoben worden war, hatten sie alle gewußt, was es enthielt. Es war die Leiche von Maxwell, mit Dahs fast in Stücke geschnitten von zwei Verwandten des Mannes, den er erschossen hatte.
    XXII
    Maxwells Tod hatte Kyauktada aufgerüttelt und würde noch
    ganz Burma aufrütteln; von dem Fall - ›dem Fall Kyauktada, wissen Sie noch?‹ - wurde noch Jahre später gesprochen,
    nachdem der Name des unglücklichen jungen Mannes längst
    vergessen war. Aber um ihn persönlich trauerte niemand
    besonders. Maxwell war fast eine Null gewesen - eben ein
    »guter Kerl« wie jeder andere der zehntausend ex colore guten Kerle in Burma und hatte keine engen Freunde gehabt. Niemand unter den Europäern trauerte ehrlich um ihn. Aber das soll nicht heißen, daß sie nicht aufgebracht waren; im Gegenteil: zunächst waren sie fast wahnsinnig vor Zorn. Das Unverzeihliche war geschehen - ein weißer Mann war getötet worden. Wenn das geschieht, geht eine Art Schauder durch die Engländer im Osten.
    Etwa achthundert Menschen werden alljährlich in Burma
    -276-
    umgebracht; sie bedeuten nichts: aber die Ermordung eines weißen Mannes ist eine Ungeheuerlichkeit, ein Sakrileg. Der arme Maxwell würde gerächt werden, das war sicher. Aber nur ein oder zwei Diener und der Förster, der seine Leiche gebracht und ihn gern gehabt hatte, vergossen

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