Tage in Burma
genossen hatte. Jedes europäische Essen in
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Burma ist mehr oder weniger widerlich - das Brot ist ein
schwammiges Zeug, das mit Palmentoddy gesäuert ist und wie eine verdorbene Semmel schmeckt, die Butter kommt aus der
Dose und ebenso die Milch, wenn es sich nicht um das graue, wässerige Gesöff des Milchmanns handelt. Als Ko S’la
hinausging, hörte man drauß en das Scharren von Sandalen, und die hochgeschraubte Stimme eines burmanischen Mädchens
sagte: »Ist mein Herr erwacht?«
»Komm rein«, sagte Flory ziemlich schlechtgelaunt.
Ma Hla May kam herein und streifte ihre rotlackierten
Sandalen an der Tür ab. Sie durfte als besondere Vergünstigung zum Tee kommen, aber nicht zu anderen Mahlzeiten, auch
durfte sie ihre Sandalen nicht in Gegenwart ihres Herrn tragen.
Ma Hla May war eine zwei- bis dreiundzwanzig Jahre alte
Frau und vielleicht einen Meter fünfzig groß. Sie war in einen Longyi aus blaßblauem, gesticktem chinesischem Atlas und einen gestärkten weißen Musselin- Ingyi gekleidet, auf dem mehrere goldene Medaillons hingen. Ihr Haar, schwarz wie
Ebenholz, war zu einem festen Zylinder aufgerollt und mit
Jasminblüten geschmückt. Ihr zierlicher, gerader, schlanker Körper war so konturlos wie ein in einen Baum geschnitztes Basrelief. Sie war wie eine Puppe mit ihrem stillen, ovalen Gesicht von der Farbe blanken Kupfers und den schmalen
Augen; eine ausländische Puppe und doch in grotesker Weise schön. Ein Duft von Sandelholz und Kokosnuß kam mit ihr ins Zimmer.
Ma Hla May kam zum Bett, setzte sich auf den Bettrand und
legte die Arme ziemlich plötzlich um Flory. Mit ihrer flachen Nase roch sie an seiner Wange, so wie es die Burmanen tun.
»Warum hat mein Herr mich heute nachmittag nicht rufen
lassen?« fragte sie.
»Ich habe geschlafen. Es ist zu heiß für so was.«
»Du schläfst also lieber allein als mit Ma Hla May? Wie
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häßlich mußt du mich finden! Bin ich häßlich, Herr?«
»Geh weg«, sagte er, sie zurückstoßend. »Ich mag dich nicht zu dieser Tageszeit.«
»Dann berühre mich wenigstens mit den Lippen. (Es gibt kein burmanisches Wort für küssen.) Alle weißen Männer tun das mit ihren Frauen.«
»Na ja, da hast du einen. Jetzt laß mich in Ruhe. Hole die Zigaretten und gib mir eine.«
»Wie kommt es, daß du neuerdings mich nie lieben willst?
Ah, vor zwei Jahren war es so anders! Damals hast du mich
geliebt. Du hast mir goldene Armreifen und seidene Ingyis aus
Mandalay geschenkt. Und jetzt sieh her« - Ma Hla May streckte einen winzigen, in Musselin gehüllten Arm aus - »nicht ein einziger Armreifen. Letzten Monat hatte ich dreißig, und jetzt sind sie alle versetzt. Wie kann ich ohne meine Armreifen zum Basar gehen und die ganze Zeit denselben Longyi anziehen? Ich schäme mich vor den anderen Frauen.«
»Ist es meine Schuld, wenn du deine Armreifen versetzt?«
»Vor zwei Jahren hättest du sie für mich eingelöst. Ah, du liebst Ma Hla May nicht mehr!«
Sie legte wieder die Arme um ihn und küßte ihn, eine
europäische Sitte, die er sie gelehrt hatte. Ein Duftgemisch von Sandelholz, Knoblauch, Kokosnußöl und den Jasminblüten in
ihrem Haar ging von ihr aus. Es war ein Duft, der ihn immer erbeben ließ. Ziemlich zerstreut drückte er ihren Kopf auf das Kissen zurück und blickte auf ihr seltsames, junges Gesicht nieder mit den hohen Backenknochen, den langgestreckten
Augenlidern und den kurzen, wohlgeformten Lippen. Sie hatte recht hübsche Zähne, wie die Zähne eines Kätzchens. Er hatte sie vor zwei Jahren für dreihundert Rupien von ihren Eltern gekauft. Er begann ihren braunen Hals zu streicheln, der wie ein glatter, schlanker Stengel aus dem kragenlosen Ingyi
emporwuchs.
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»Du hast mich nur gern, weil ich ein weißer Mann bin und
Geld habe«, sagte er.
»Herr, ich liebe dich, ich liebe dich mehr als alles auf der Welt. Warum sagst du das? Bin ich dir nicht immer treu
gewesen?«
»Du hast einen burmanischen Liebhaber.«
»Uh!« Ma Hla May tat so, als schauderte es sie bei dem
Gedanken. »Wenn ich denke, daß ihre scheußlichen braunen
Hände mich berühren könnten! Ich würde sterben, wenn ein
Burmane mich berührte!«
»Du lügst.«
Er legte die Hand auf ihre Brust. Insgeheim hatte Ma Hla May das nicht gern, denn es erinnerte sie an die Existenz ihrer Brüste das Ideal einer burmanische n Frau ist, keine Brüste zu haben.
Sie lag da und ließ mit sich machen, was er wollte, ganz passiv, aber zufrieden und leise
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