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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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solch einen Krach konnte er
    nicht auf sich nehmen! Das war es nicht wert. Er sagte:
    »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen: es ist schon darüber
    gesprochen worden. Sie haben es heute morgen diskutiert, und dieses kleine Biest Ellis hat seine üble ›dreckiger-Neger‹-Predigt gehalten. Macgregor hat vorgeschlagen, einen Eingeborenen
    zum Mitglied zu wählen. Er hat einen entsprechenden Befehl gekriegt, denke ich mir.«
    »Ja, das habe ich gehört. Wir hören so etwas immer. Das hat mich auch auf die Idee gebracht.«
    »Es soll bei der Generalversammlung im Juni darüber
    verhandelt werden. Ich weiß nicht, was daraus werden wird - es hängt von Macgregor ab, glaube ich. Ich werde Ihnen meine
    Stimme geben, aber mehr kann ich nicht tun. Tut mir leid, aber ich kann einfach nicht. Sie wissen nicht, was für einen Spektakel das geben wird. Sehr wahrscheinlich werden sie Sie wählen, aber sie werden es als eine unangenehme Pflicht tun, unter Protest. Sie haben einen richtigen Fetisch daraus gemacht, diesen Club reinweiß zu halten, wie sie es nennen.«
    »Natürlich, natürlich, mein Freund! Ich verstehe vollkommen.
    Gott behüte, daß Sie meinetwegen mit Ihren europäischen
    Freunden in Schwierigkeiten geraten. Bitte, bitte, lassen Sie sich da nicht hineinziehen! Schon daß man weiß, daß Sie mit mir befreundet sind, nützt mir mehr, als Sie sich vorstellen können.
    Prestige, Mr. Flory, ist wie ein Barometer. Jedesmal, wenn man Sie mein Haus betreten sieht, steigt das Quecksilber um einen halben Grad.«
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    »Nun ja, wir müssen versuchen, es auf ›Beständig‹ zu halten.
    Das ist wohl leider alles, was ich für Sie tun kann.«
    »Auch das ist viel, mein Freund. Und was das angeht, da ist noch etwas anderes, wovor ich Sie warnen wollte, obgleich Sie darüber lachen werden, fürchte ich. Nämlich, daß Sie selbst sich vor U Po Kyin hüten sollten. Hüten Sie sich vor dem Krokodil!
    Denn bestimmt wird er zum Schlag gegen Sie ausholen, wenn er weiß, daß Sie mit mir befreundet sind.«
    »Schon gut, Doktor. Ich werde mich vor dem Krokodil hüten.
    Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er mir viel schaden kann.«
    »Mindestens wird er’s versuchen. Ich kenne ihn. Er wird es darauf anlegen, mich von meinen Freunden zu trennen.
    Möglicherweise wird er sogar wagen, seine Verleumdungen
    auch auf Sie auszudehnen.«
    »Auf mich? Großer Gott! Niemand würde etwas gegen mich glauben. Civis Romanus sum. Ich bin Engländer - über jeden Verdacht erhaben.«
    »Nichtsdestoweniger, mein Freund, hüten Sie sich vor seinen Anschwärzungen. Unterschätzen Sie ihn nicht. Er wird wissen, wie er Sie treffen kann. Er ist ein Krokodil. Und wie das
    Krokodil« - der Doktor legte Daumen und Zeigefinger
    eindrucksvoll zusammen; seine Bilder kamen ihm manchmal
    durcheinander -, »wie das Krokodil schlägt er immer an der schwächsten Stelle zu!«
    »Schlagen Krokodile wirklich immer an der schwächsten
    Stelle zu, Doktor?«
    Beide Männer lachten. Sie kannten sich gut genug, um hin
    und wieder über das possierliche Englisch des Doktors zu
    lachen. Vielleicht war der Doktor im Grunde ein bißchen
    enttäuscht darüber, daß Flory nicht versprochen hatte, ihn für den Club vorzuschlagen, aber er wäre lieber gestorben, als es zu sagen. Und Flory war froh, das Thema fallenzulassen, ein
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    unbequemes Thema, das, so wünschte er, nie hätte zur Sprache kommen sollen.
    »Nun ja, ich muß mich jetzt auf den Weg machen, Doktor.
    Leben Sie wohl, falls ich Sie jetzt nicht wiedersehe. Ich hoffe, es wird alles gutgehen bei der Generalversammlung. Macgregor ist kein schlechter alter Kerl. Ich könnte mir denken, daß er darauf bestehen wird, daß Sie gewählt werden.«
    »Hoffen wir es, mein Freund. Damit kann ich es mit hundert U Po Kyins aufnehmen. Mit tausend! Leben Sie wohl, mein
    Freund, leben Sie wohl.«
    Dann rückte Flory seinen Filzhut auf dem Kopf zurecht und
    ging über den glühend heißen Platz nach Hause zu seinem
    Frühstück, auf das er nach dem Trinken, Rauchen und Sprechen des langen Vormittags keinen Appetit mehr hatte.
    IV
    Flory lag, nackt bis auf schwarze Shan-Hosen, schlafend auf seinem schweißfeuchten Bett. Er hatte den ganzen Tag
    herumgetrödelt. Er verbrachte annähernd drei Wochen jedes
    Monats im Lager und kam immer nur für ein paar Tage nach
    Kyauktada, hauptsächlich um zu faulenzen, denn er hatte sehr wenig Büroarbeit zu tun.
    Das Schlafzimmer war ein großer quadratischer Raum mit
    weiß verputzten Wänden,

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