Tage in Burma
offenen Türöffnungen und keiner
Decke, sondern nur Dachsparren, in denen Spatzen nisteten. Es hatte keine Möbel außer einem großen Himmelbett mit dem wie ein Baldachin aufgerollten Moskitonetz, einem Korbtisch und Sessel und einem kleinen Spiegel; außerdem ein paar rohe
Bücherregale, die mehrere hundert Bücher enthielten, alle durch viele Regenzeiten verschimmelt und von Silberfischchen
durchlöchert. Ein Tuktoo saß an der Wand, flach und regungslos wie ein heraldischer Drache. Hinter der Dachtraufe der Veranda strömte das Licht herab wie glitzerndes, weißes Öl. Ein paar
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Tauben in einem Bambusdickicht gaben ununterbrochen ein
eintöniges Gemurmel von sich, das merkwürdig gut zu der Hitze paßte - ein schläfriger Ton, aber eher einschläfernd wie eine Narkose, nicht wie ein Wiegenlied.
Unten in Mr. Macgregors Bungalow, zweihundert Meter
entfernt, hämmerte ein Durwan wie eine lebende Uhr viermal auf ein Stück Eisenschiene. Ko S’la, Florys Diener, erwachte von dem Ton, ging in das Küchenhaus, blies die Glut des
Holzfeuers an und setzte den Kessel für den Tee auf. Dann legte er seinen rosa Gaungbaung und den Musselin- Ingyi an und brachte seinem Herrn das Teetablett ans Bett.
Ko S’la (eigentlich hieß er Maung San Hla, Ko S’la war eine Abkürzung) war ein kleiner, breitschultriger, bäurisch
aussehender Burmane mit sehr dunkler Haut und gequältem
Gesichtsausdruck. Er trug einen schwarzen Schnurrbart, der sich um seinen Mund nach unten krümmte, aber sonst hatte er wie die meisten Burmanen keinen Ban. Er war Florys Diener seit dessen erstem Tag in Burma. Die beiden Männer waren fast bis auf den Tag gleichaltrig. Sie hatten einander schon als Jungen gekannt, waren Seite an Seite auf Schnepfen- und Entenjagd gegangen, hatten zusammen auf dem Hochsitz gesessen und auf Tiger gewartet, die nie kamen, hatten die Unbequemlichkeiten von tausend Lagern und Märschen geteilt; und Ko S’la hatte für Flory den Kuppler gespielt und für ihn bei den chinesischen Geldverleihern Geld geliehen, hatte ihn zu Bett gebracht, wenn er betrunken war, ihn bei Fieberanfällen gepflegt. In Ko S’las Augen war Flory, weil er Junggeselle war, noch immer ein
Junge; während Ko S’la geheiratet und fünf Kinder gezeugt, noch einmal geheiratet hatte und einer der unbekannten
Märtyrer der Bigamie geworden war. Wie alle Diener von
Junggesellen war Ko S’la faul und schmutzig, aber Flory sehr ergeben. Er hätte nie zugelassen, daß jemand anders Flory bei Tisch bediente oder sein Gewehr trug oder den Kopf seines
Ponys hielt, während er aufstieg. Wenn sie auf dem Marsch zu
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einem Fluß kamen, trug er Flory auf dem Rücken hinüber. Er neigte dazu, Flory zu bemitleiden, teils weil er fand, daß er kindisch und leicht zu täuschen sei, teils wegen des Muttermals, das für ihn etwas Schreckliches war.
Ko S’la setzte das Teetablett ganz leise auf den Tisch, dann ging er um das Bett herum und kitzelte Flory an den Zehen. Er wußte aus Erfahrung, daß dies die einzige Art war, Flory zu wecken, ohne ihn in schlechte Laune zu versetzen. Flory wälzte sich herum, fluchte und drückte die Stirn ins Kopfkissen.
»Es hat vier Uhr geschlagen, heiligster Gott«, sagte Ko S’la.
»Ich habe zwei Teetassen gebracht, weil die Frau gesagt hat, daß sie kommen will.«
Die Frau war Ma Hla May, Florys Mätresse. Ko S’la nannte sie immer die Frau, um seine Mißbilligung zu zeigen - nicht daß er Florys Mätresse mißbilligte, sondern weil er auf Ma Hla Mays Einfluß im Hause eifersüchtig war.
»Wird der Heilige heute abend Tinnis spielen?« fragte Ko S’la.
»Nein, es ist zu heiß«, sagte Flory auf englisch. »Ich will nichts essen. Nimm diesen Mist weg und bring mir Whisky.«
Ko S’la verstand Englisch sehr gut, obwohl er es nicht
sprechen konnte. Er brachte eine Flasche Whisky, außerdem
Florys Tennisschläger, den er mit bedeutsamer Gebärde
gegenüber dem Bett an die Wand lehnte. Tennis war für seine Begriffe für alle Engländer eine geheimnisvolle rituelle Pflicht, und er sah seinen Herrn abends nicht gern müßiggehen.
Flory stieß Toast und Butter, die Ko S’la gebracht hatte,
angeekelt beiseite, aber er goß sich Whisky in eine Tasse Tee und fühlte sich besser, nachdem er ihn getrunken hatte. Er hatte seit Mittag geschlafen, und jetzt taten ihm der Kopf und
sämtliche Knochen weh, und im Mund hatte er einen
Geschmack wie von verbranntem Papier. Es war Jahre her, daß er eine Mahlzeit
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