Tage in Burma
Dschungel jede
andere Spur von ihnen begraben hat. Aber ich würde mich
freuen, wenn Sie auf die Veranda kommen und sich die
Orchideen ansehen würden. Ich muß Ihnen ein paar zeigen, die genau wie goldene Glocken aussehen - buchstäblich wie Gold.
Und sie duften wie Honig, fast überwältigend. Das ist ungefähr das einzige Verdienst dieses tierischen Landes, es ist gut für Blumen. Hoffentlich haben Sie etwas für Gartenarbeit übrig? Es ist unser größter Trost in diesem Lande.«
»Oh, ich schwärme einfach für Gartenarbeit«, sagte das
Mädchen.
Sie gingen auf die Veranda. Ko S’la hatte eilig seinen Ingyi und seinen besten rosaseidenen Gaungbaung angelegt und trat nun aus dem Haus mit einem Tablett, auf dem eine Karaffe mit Gin, Gläser und eine Schachtel Zigaretten standen. Er setzte es auf den Tisch, und nachdem er das Mädchen ängstlich beäugt hatte, legte er die Hände flach zusammen und shikote.
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»Ich nehme an, es hat keinen Zweck, Ihnen zu dieser frühen Tageszeit einen Drink anzubieten?« sagte Flory. »Meinen
Dienern will es nicht in den Kopf, daß manche Leute ohne Gin vor dem Frühstück existieren können.«
Er zählte sich selbst zu den letzteren, indem er mit einem Wink den Drink, den Ko S’la ihm anbot, ablehnte. Das Mädchen hatte sich auf den Korbstuhl gesetzt, den Ko S’la für sie ans Ende der Veranda gerückt hatte. Die dunkelblättrigen Orchideen hingen hinter ihrem Kopf, und ihre goldenen Blütenbüschel
verströmten warmen Honigduft. Flory stand an der
Verandabrüstung, dem Mädchen das Gesicht halb zugekehrt,
aber die Wange mit dem Muttermal versteckend.
»Was für eine einfach göttliche Aussicht Sie von hier aus haben«, sagte sie, den Abhang hinunterblickend.
»Ja, nicht wahr? Herrlich dieses gelbe Licht, bevor die Sonne höher steigt. Ich liebe diese dunkelgelbe Farbe des Platzes und diese goldenen Mohurbäume wie karminrote Kleckse. Und diese Berge am Horizont, fast schwarz. Mein Lager ist auf der
anderen Seite der Berge«, setzte er hinzu.
Das Mädchen war weitsichtig und nahm ihre Brille ab, um in die Ferne zu sehen. Er bemerkte, daß ihre Augen von einem sehr reinen, hellen Blau waren, heller als Glockenblumen. Und er bemerkte die Glätte ihrer Haut unter den Augen, fast wie
Blütenblätter. Es erinnerte ihn wieder an sein Alter und sein hageres Gesicht, so daß er sich noch ein wenig mehr von ihr abwandte. Aber er sagte, einem Impuls gehorchend:
»Was für ein Glück, daß Sie nach Kyauktada kommen! Sie
können sich nicht vorstellen, was es für uns bedeutet, hier ein neues Gesicht zu sehen. Nach Monaten in unserer eigenen
jämmerlichen Gesellschaft und hin und wieder ein Beamter auf seiner Rundreise und amerikanische Globetrotter, die mit ihren Kameras den Irrawaddy herauffahren. Ich nehme an, Sie
kommen direkt von England?«
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»Nun, nicht direkt. Ich habe in Paris gewohnt, bevor ich
hierher fuhr. Meine Mutter war Künstlerin, wissen Sie.«
»Paris! Sie haben wirklich in Paris ge lebt? Donnerwetter, man stelle sich vor, von Paris nach Kyauktada! Wissen Sie, es ist in so einem Loch wie hier ausgesprochen schwierig, daran zu
glauben, daß es so etwas wie Paris gibt.«
»Gefällt Ihnen Paris?« fragte sie.
»Ich habe es nie gesehen. Aber, großer Gott, wie oft habe ich es mir vorgestellt! Paris - das ist in meinem Kopf eine Art Durcheinander; Cafés und Boulevards und Malerateliers und
Villon und Baudelaire und Maupassant - alles durcheinander.
Sie wissen nicht, wie die Namen dieser europäischen Städte für uns hier draußen klingen. Und Sie haben wirklich in Paris
gewohnt? Mit ausländischen Kunststudenten in Cafés gesessen und Weißwein getrunken und über Marcel Proust gesprochen?«
»O ja, so ähnlich, nehme ich an«, sagte das Mädchen lachend.
»Wie anders werden Sie es hier finden! Hier gibt’s keinen
Weißwein und Marcel Proust. Whisky und Edgar Wallace, das
ist wahrscheinlicher. Aber wenn Sie Bücher haben wollen,
finden Sie vielleicht etwas unter meinen, was Ihnen zusagt. In der Clubbibliothek haben sie nur Kitsch. Aber natürlich bin ich hoffnungslos rückständig mit meinen Büchern. Ich nehme an, Sie haben alles auf Erden gelesen.«
»O nein. Aber natürlich schwärme ich für Bücher«, sagte das Mädchen.
»Was das bedeutet, jemanden kennenzulernen, dem etwas an
Büchern liegt. Ich meine an Büchern, die es wert sind, gelesen zu werden, nicht diesen Mist in den Clubbibliotheken. Ich hoffe sehr, daß Sie mir
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