Tage in Burma
unfähige, dumme, prahlerische, sich selbst
bemitleidende Frau gewesen, die sich auf Grund von einer
Empfindsamkeit, die ihr abging, vor allen üblichen Pflichten des Lebens drückte. Nachdem sie jahrelang mit Dingen wie
Frauenstimmrecht und Höherem Denken herumgespielt und sich mehrmals erfolglos in der Literatur versucht hatte, hatte sie sich schließlich auf die Malerei verlegt. Malerei ist die einzige Kunst, die man sowohl ohne Talent als auch ohne schwere
Arbeit ausüben kann. Mrs. Lackersteens Pose war die eines
unter die ›Philister‹ (eingeschlossen, selbstredend, ihr Ehemann)
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verbannten Künstlers, und diese gab ihr fast unbegrenzten
Spielraum, ihrer Umwelt lästig zu fallen.
Im letzten Kriegsjahr verdiente Mr. Lackersteen, der sich aus dem Militärdienst herauszuhalten vermochte, eine Menge Geld, und gleich nach dem Waffenstillstand zogen sie in ein riesiges, neues, ziemlich düsteres Haus in Highgate mit großen Mengen von Treibhäusern, Buschwerk, Ställen und Tennisplätzen. Mr.
Lackersteen hatte eine Schar von Dienstboten engagiert, sogar einen Butler - so groß war sein Optimismus. Elizabeth wurde für zwei Semester in ein sehr teures Internat geschickt. Oh, das Glück, das Glück, das unvergeßliche Glück dieser zwei
Semester! Vier Mädchen in dieser Schule waren ›die
Ehrenwerten‹, fast alle hatten eigene Ponies, auf denen sie an Samstagnachmittagen ausreiten durften. In jedes Menschen
Leben gibt es eine kurze Periode, in der sich sein Charakter für immer festlegt; für Elizabeth waren es diese zwei Semester, da sie in nähere Berührung mit den Reichen kam. Danach ließen ihre gesamten Lebensregeln sich in einem Glauben
zusammenfassen, einem sehr einfachen, daß das Gute
(›wunderschön‹ nannte sie es) gleichbedeutend ist mit dem
Kostspieligen, dem Eleganten, dem Aristokratischen, und das Schlechte (›Garstige‹) das Billige, das Minderwertige, das Schäbige, das Mühselige ist. Vielleicht gibt es die teuren Mädchenschulen, um diesen Glauben zu lehren. Das Gefühl
verfeinerte sich, als Elizabeth älter wurde, durchdrang es all ihre Gedanken. Alles, von einem Paar Strümpfe bis zu einer
Menschenseele, wurde als ›wunderschön‹ oder ›garstig‹
klassifiziert. Und leider hatte das ›Garstige‹ in ihrem Leben die Vorherrschaft gehabt, denn Mr. Lackersteens Wohlstand war
von kurzer Dauer.
Der unvermeidliche Zusammenbruch geschah Ende 1919.
Elizabeth wurde aus der Schule genommen und setzte ihre
Ausbildung in einer Reihe billiger garstiger Schulen fort mit Lücken von einem oder zwei Semestern, wenn ihr Vater das
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Schulgeld nicht aufbrachte. Er starb an Grippe, als sie zwanzig war. Mrs. Lackersteen blieb mit einem Jahreseinkommen von
150 Pfund zurück, das mit ihrem Tode erlöschen sollte. Die beiden Frauen konnten bei Mrs. Lackersteens Haushaltführung in England nicht von drei Pfund pro Woche leben. Sie zogen nach Paris, wo das Leben billiger war und wo Mrs. Lackersteen sich ganz ihrer Kunst widmen wollte.
Paris! In Paris leben! Flory hatte ziemlich weit
danebengeschossen, als er diese endlosen Gespräche mit
bärtigen Künstlern unter grünen Platanen ausmalte. Elizabeths Leben in Paris war nicht ganz so gewesen.
Ihre Mutter hatte am Montparnasse ein Atelier gemietet und war sofort in einen Zustand von unordentlichem, verkommenem Müßiggang verfallen. Sie war so töricht im Umgang mit Geld, daß ihr Einkommen ihre Ausgaben nicht annähernd deckte, und mehrere Monate lang bekam Elizabeth nicht einmal genug zu
essen. Dann fand sie Arbeit als Hauslehrerin für Englisch bei der Familie eines französischen Bankiers. Man nannte sie › notre miis anglaise‹. Der Bankier wohnte im zwölften
Arrondissement, ein weiter Weg vom Montparnasse, und
Elizabeth hatte in einer näher gelegenen Pension ein Zimmer genommen. Es war ein schmales Haus mit gelber Fassade in
einer Nebenstraße mit dem Blick auf den Laden eines
Geflügelhändlers, vor dem im allgemeinen die stinkenden
Kadaver von Wildschweinen hingen, und jeden Morgen kamen
alte Herren wie klapperige alte Satyre, die lange und liebevoll daran schnupperten. Neben dem Geflügelhändler ein
fliegenbeschmutztes Café mit dem Schild »Café de l’Amitié.
Bock formidable«. Wie Elizabeth diese Pension gehaßt hatte!
Die Besitzerin war eine schwarzgekleidete alte Schnüfflerin, die ihr Leben damit verbrachte, auf Zehenspitzen die Treppe hinauf-und hinunterzugehen in der Hoffnung, die Mieter
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