Tage in Burma
Mädchen sind. So ein
komisches kleines Ding! Sie sah fast wie eine Puppe aus mit ihrem runden gelben Gesicht und ihrem auf dem Kopf
aufgetürmten Haar. Sie konnte nicht älter als siebzehn sein. Mr.
Flory sagte, sie wäre seine Waschfrau.«
Der lange Körper des indischen Butlers wurde steif. Er
blinzelte auf das Mädchen herab, und seine weißen Augäpfel wirkten riesengroß in dem schwarzen Gesicht. Er sprach sehr gut Englisch. Mr. Lackersteen hielt eine Gabel mit Fisch auf halbem Wege zwischen seinem Teller und seinem weit
geöffneten Mund.
»Waschfrau«, sagte er. »Waschfrau! Verflixt nochmal, da
stimmt was nicht. So was wie eine Waschfrau gibt’s nämlich nicht in diesem Land. Die ganze Wascherei wird von den
Männern gema cht. Wenn du mich fragst -«
Und dann brach er ganz plötzlich ab, beinahe so, als hätte ihm jemand unterm Tisch auf den Fuß getreten.
VIII
An diesem Abend wies Flory Ko S’la an, den Barbier zu
holen. Es gab nur einen Barbier in der Stadt, einen Inder, und er verdiente seinen Lebensunterhalt durch Rasieren der indischen
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Kulis zum Preise von acht Annas pro Monat für eine
Trockenrasur jeden zweiten Tag. Die Europäer waren seine
Kunden, weil sie keinen anderen hatten. Der Barbier wartete auf der Veranda, als Flo ry vom Tennis zurückkam, und Flory
sterilisierte die Schere mit kochendem Wasser und einem
Desinfektionsmittel und ließ sich das Haar schneiden.
»Leg meinen besten Palm- Beach-Anzug heraus«, sagte er zu
Ko S’la, »und ein seidenes Hemd und meine Sambhurleder-
Schuhe. Außerdem die neue Krawatte, die vorige Woche aus
Rangun gekommen ist.«
»Das habe ich schon getan, Thakin«, sagte Ko S’la, womit er meinte, daß er es tun würde. Als Flory ins Schlafzimmer kam, wartete Ko S’la neben den Kleidungsstücken, die er
zurechtgelegt hatte, mit leicht verdrossener Miene. Es war sonnenklar, daß er wußte, warum Flory sich so herausputzte (nämlich in der Hoffnung, Elizabeth zu treffen), und daß er es mißbilligte.
»Worauf wartest du?« fragte Flory.
»Euch anziehen helfen, Thakin.«
»Ich ziehe mich heute abend allein an. Du kannst gehen.«
Er wollte sich rasieren - zum zweitenmal an diesem Tag -, und wollte nicht, daß Ko S’la ihn seine Rasiersachen ins
Badezimmer mitnehmen sah. Es war mehrere Jahre her, daß er sich zweimal am Tag rasiert hatte. Was für ein Glück, daß er erst letzte Woche diesen neuen Schlips bestellt hatte, dachte er.
Er zog sich sehr sorgfältig an und verbrachte fast eine
Viertelstunde damit, sein Haar zu bürsten, das steif war und sich nach dem Schneiden nie anlegen wollte.
Fast im nächsten Augenblick, so schien es ihm, ging er mit Elizabeth die Basarstraße herunter. Er hatte sie allein in der Club- ›Bibliothek‹ gefunden und sie in einem plötzlichen Anfall von Mut gebeten, mit ihm auszugehen; und sie war mit einer Bereitwilligkeit gekommen, die ihn überraschte, und hatte sich
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nicht einmal die Zeit genommen, Onkel und Tante Bescheid zu sagen. Er hatte so lange in Burma gelebt, daß er die englischen Sitten vergessen hatte. Es war sehr dunkel unter den heiligen Bobäumen der Basarstraße, das Laub verbarg den Viertelmond, aber die Sterne strahlten hier und da in einer Lücke weiß und niedrig wie Lampen an unsichtbaren Drähten. Wechselnde
Düfte kamen auf sie zu, erst die unangenehme Süße des
Jasmins, dann der kalte Fäulnisgestank nach Dung oder
Verwestem aus den Hütten gegenüber von Dr. Veraswamis
Bungalow. Etwas weiter weg waren dumpfe Trommeln zu
hören.
Als Flory die Trommeln hörte, fiel ihm ein, daß ein bißchen weiter unten an der Straße, gegenüber von U Po Kyins Haus, ein Pwe aufgeführt wurde; tatsächlich hatte U Po Kyin das Pwe veranstaltet, wenn auch jemand anders es bezahlt hatte. Flory kam ein wagemutiger Gedanke. Er würde Elizabeth zu dem Pwe führen! Es würde ihr gefallen - es mußte ; niemand mit Augen im Kopf konnte einem Pwe-Tanz widerstehen. Wahrscheinlich würde es einen Skandal geben, wenn sie zusammen nach langer Abwesenheit in den Club zurückkamen; Teufel, und wenn
schon! Was lag daran! Sie war etwas anderes als diese
Narrenherde im Club. Und es würde ein solches Vergnügen
sein, zusammen zu dem Pwe zu gehen! In diesem Augenblick steigerte die Musik sich zu einem fürchterlichen Höllenlärm -
einem schrillen Quietschen der Pfeifen, einem Geklapper wie von Kastagnetten und dem rauhen Schlagen der Trommeln, und über allem blechernen Kreischen eine
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