Tage in Burma
jung, schmalschultrig, brustlos und in einen blaßblauen Atlas- longyi gekleidet, der ihre Füße bedeckte. Die Röcke ihres Longyi bauschten sich reifrockartig über ihren Hüften entsprechend der alten burmesischen Tracht. Sie waren wie die Blütenblätter einer nach unten geöffneten Blume. Sie warf lässig ihre Zigarre einem der Männer im Orchester zu, und dann schüttelte sie den einen schlanken, ausgestreckten Arm, als wollte sie die Muskeln
lockern.
Das Orchester brach plötzlich in lautes Getöse aus. Es waren Pfeifen, ähnlich wie Dudelsäcke, ein seltsames Instrument, das aus Bambusplatten bestand, auf die ein Mann mit einem
Hämmerchen schlug, und in der Mitte stand ein Mann, umgeben von zwölf großen Trommeln von verschiedener Größe. Er langte blitzschnell von der einen zur anderen und schlug sie mit dem Handballen. Gleich darauf begann das Mädchen zu tanzen. Aber zuerst war es kein Tanz, es war ein rhythmisches Nicken,
Posieren und Verdrehen der Ellbogen, wie die Bewegungen
einer Gliederpuppe auf einem altmodischen Karussell. Wie ihr Hals und ihre Ellbogen kreisten, war genau die Bewegungen
einer Gliederpuppe, und doch unglaublich geschmeidig. Ihre Hände, die sich mit geschlossenen Fingern wie Schlangenköpfe drehten, konnte sie zurückbiegen, bis sie fast auf ihren
Unterarmen lagen. Allmählich wurden ihre Bewegungen
schneller. Sie begann hin und her zu springen, sich in einer Art Knicks zu Boden zu werfen und mit außerordentlicher
Behendigkeit wieder aufzuspringen trotz des langen Longyi, der ihre Füße fesselte. Dann tanzte sie in einer grotesken Haltung, als säße sie mit gebeugten Knien und vorgelehntem Körper, die Arme ausgestreckt und sich schlängelnd und auch den Kopf im
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Rhythmus der Trommeln bewegend. Die Musik wurde schneller
und schneller. Das Mädchen richtete sich zu voller Höhe auf und wirbelte so schnell wie ein Kreisel herum, wobei die Reifröcke ihres Longyi um sie flogen wie die Blütenblätter eines Schneeglöckchens. Dann brach die Musik so abrupt ab, wie sie angefangen hatte, und das Mädchen versank mitten im rauhen Geschrei der Zuschauer nieder in einen Knicks.
Elizabeth sah dem Tanz mit einer Mischung aus Staunen,
Langeweile und einem an Entsetzen heranreichenden Gefühl zu.
Sie hatte von ihrem Drink genippt und festgestellt, daß er wie Haaröl schmeckte. Auf einer Matte zu ihren Füßen lagen drei burmanische Mädchen fest im Schlaf, die Köpfe auf demselben Kissen, die kleinen, ovalen Gesichter Seite an Seite wie kleine Kätzchen. Halb übertönt von der Musik, flüsterte Flory
Elizabeth kommentierende Worte über den Tanz ins Ohr.
»Ich wußte, daß Sie das interessiert; darum habe ich Sie
hierher mitgenommen. Sie haben Bücher gelesen und sind in
zivilisierten Städten gewesen, Sie sind nicht so wie wir
erbärmlichen Wilden hier. Finden Sie nicht, daß es sich lohnt, so etwas anzuschauen, so verrückt es sein mag? Sehen Sie nur
diese Bewegungen des Mädchens - diese seltsame, vorgebeugte Pose wie eine Marionette, und wie sie ihre Arme vom Ellbogen aus verdreht wie eine Kobra, die sich zum Zuschlagen
aufrichtet. Es ist grotesk, es ist sogar häßlich mit einer Art absichtlicher Häßlichkeit. Und es hat auch etwas Unheimliches an sich. Alle Mongolen haben etwas Diabolisches an sich. Und doch, wenn Sie aufmerksam hinsehen, welche Kunst, welche
jahrhundertealte Kultur kann man dahinter sehen. Jede
Bewegung, die dieses Mädchen macht, ist einstudiert und durch unzählige Generationen weitergegeben worden. Immer wenn
man die Kunst dieser östlichen Völker genau betrachtet, kann man das sehen - eine Zivilisation, die weit, weit zurückreicht, praktisch immer dieselbe, bis in Zeiten, als wir uns noch in Färberwaid kleideten. In einer gewissen Weise, die ich Ihnen
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nicht erklären kann, ist das ganze Leben und der Geist von Burma in den Bewegungen zusammengefaßt, mit denen das
Mädchen ihre Arme verdreht. Wenn man sie sieht, kann man die Reisfelder sehen, die Dörfer unter den Teakholzbäumen, die Pagoden, die Priester in ihren gelben Gewändern, die Büffel, die am frühen Morgen durch die Flüsse schwimmen, den Palast des Thibaw ...«
Er brach plötzlich ab, als die Musik abbrach. Es gab gewisse Dinge, und ein Pwe-Tanz war eines davon, das ihn zu ungehemmten und unvorsichtigen Reden verleitete; aber jetzt wurde ihm klar, daß er wie eine Romanfigur drauflos
gesprochen hatte, noch dazu aus keinem sehr guten Roman. Er blickte
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