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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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zugespitzt. Aber das ganze Unternehmen - allein die Vorstellung, daß man Schulter an Schulter mit all diesen stinkenden Eingeborenen sitzen sollte, hatte einen schlechten Eindruck auf sie gemacht. Sie war sich völlig sicher, daß Weiße sich nicht so benehmen sollten. Und dieses ungewöhnliche wirre Gerede, das er losgelassen hatte, mit all diesen langen Wörtern - fast so, als sagte er ein Gedicht auf, dachte sie verbittert. So redeten diese garstigen Künstler, denen man manchmal in Paris über den Weg lief. Bis heute
    abend hatte sie ihn für einen männlichen Mann gehalten. Dann gingen ihre Gedanken zurück zum Abenteuer des Vormittags,
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    wie er mit bloßen Händen dem Büffel entgegengetreten war,
    und ihre Wut verebbte ein wenig. Als sie am Tor des Clubs
    ankamen, war sie ge neigt, ihm zu verzeihen. Flory hatte
    inzwischen den Mut gefunden, wieder zu sprechen. Er blieb
    stehen, und sie blieb auch stehen an einer Stelle, wo die Zweige etwas Sternenlicht durchließen und er undeutlich ihr Gesicht sehen konnte.
    »Also. Also, ich hoffe wirklich, daß Sie nicht richtig böse deswegen sind.«
    »Nein, natürlich nicht. Das habe ich Ihnen ja gesagt.«
    »Ich hätte Sie nicht dorthin mitnehmen sollen. Bitte,
    verzeihen Sie mir. Wissen Sie, ich glaube, ich werde den
    anderen nicht sagen, wo Sie gewesen sind. Vielleicht wäre es besser zu sagen, daß Sie einfach einen Spaziergang gemacht haben, durch den Garten - irgend so etwas. Sie könnten es merkwürdig finden, daß ein weißes Mädchen zu einem Pwe geht. Ich glaube, ich werde es ihnen nicht sagen.«
    »O nein, natürlich nicht!« stimmte sie mit einer Wärme ein, die ihn überraschte. Nun wußte er, daß sie ihm verziehen hatte.
    Aber was sie ihm verziehen hatte, hatte er noch nicht erfaßt.
    In stillschweigendem Einverständnis gingen sie getrennt in den Club. Das Unternehmen war entschieden ein Fehlschlag
    gewesen. Die Atmosphäre im Clubsalon hatte heute etwas von einem Galaabend. Die ganze europäische Gemeinde wartete
    darauf, Elizabeth zu begrüßen, und der Butler und die sechs Chokras in ihren besten gestärkten weißen Anzügen standen lächelnd und sich verbeugend zu beiden Seiten des Eingangs aufgereiht. Als die Europäer mit ihren Begrüßungen fertig
    waren, trat der Butler mit einer langen Blumengirlande vor, die die Diener für die ›Missie-Sahib‹ gefertigt hatten. Mr.
    Macgregor hielt eine sehr humorvolle Begrüßungsansprache, in der er jeden einzelnen vorstellte. Maxwell stellte er als »unseren Baumspezialisten« vor, Westfield als den »Hüter von Gesetz
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    und Ordnung und - äh - den Schrecken der hiesigen Banditen«, und so weiter und so fort. Es wurde viel gelacht. Der Anblick eines hübschen Mädchengesichts hatte alle in so gute Stimmung versetzt, daß sie sogar Mr. Macgregors Rede genießen konnten -
    zu deren Vorbereitung er allerdings auch fast den ganzen
    Nachmittag aufgewendet hatte.
    Bei der erstmöglichen Gelegenheit nahm Ellis mit listiger
    Miene Flory und Westfield am Arm und zog sie in das
    Spielzimmer. Er war in viel besserer Laune als gewöhnlich. Er kniff mit seinen kleinen, harten Fingern Flory schmerzhaft, aber ganz freundschaftlich in den Arm.
    »Nun, mein Junge, alle haben auf dich gewartet. Wo bist du die ganze Zeit gewesen?«
    »Ach, nur ein bißchen spazieren.«
    »Spazieren! Und mit wem?«
    »Mit Miss Lackersteen.«
    »Hab ich’s doch gewußt! Also bist du der verdammte Idiot, der in die Falle gegangen ist! Du hast den Köder geschluckt, bevor jemand anders ihn auch nur gesehen hatte. Ich dachte, du wärest zu alt für so was, ja, wirklich!«
    »Was meinst du denn?«
    »Was ich meine! Sieh mal an, jetzt tut er so, als wüßte er nicht, was ich meine! Na, ich meine natürlich, daß Ma
    Lackersteen dich zu ihrem geliebten Schwiegerneffen bestimmt hat. Das heißt, wenn du nicht verdammt gut aufpaßt. Was,
    Westfield?«
    »Sehr richtig, alter Junge. Akzeptabler junger Junggeselle.
    Ehebande und so. Sie haben ihn ins Visier genommen.«
    »Ich weiß nicht, wie ihr darauf kommt. Das Mädchen ist
    kaum vierundzwanzig Stunden hier.«
    »Jedenfalls lange genug, um ihr den Hof zu machen. Paß bloß auf. Tom Lackersteen mag ja ein Saufkopf sein, aber so
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    verdammt töricht ist er nicht, daß er sich für den Rest seines Lebens eine Nichte auf den Hals laden will. Und sie weiß natürlich, was für sie gut ist. Also nimm dich in acht und steck nicht den Kopf in die Schlinge.«
    »Zum Kuckuck, du hast kein

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