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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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rief er noch einmal bestürzt: »Haben Sie mich fallen sehen? Der Sattel ist gerutscht. Der blöde Sepoy hatte ihn nicht -«
    Ohne Frage hatte sie ihn jetzt gehört. Sie wandte ihm ihr
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    Gesicht einen Augenblick voll zu und sah ihn an und durch ihn hindurch, als existierte er nicht. Dann blickte sie fort, ins Weite, über den Friedhof hinaus. Es war schrecklich. Er rief ihr
    erschrocken nach - »Elizabeth! Hören Sie doch, Elizabeth!«
    Sie ging weiter ohne ein Wort, ohne ein Zeichen, ohne einen Blick. Sie ging rasch die Straße hinunter, ihm den Rücken
    zukehrend, mit klappernden Absätzen.
    Die Sepoys hatten sich jetzt um ihn geschart, und auch Verrall war herübergeritten, wo Flory lag. Einige Sepoys hatten
    Elizabeth gegrüßt; Verrall hatte sie nicht beachtet, vielleicht hatte er sie nicht gesehen. Flory kam steif auf die Beine. Er war häßlich zerschlagen, hatte aber nichts gebrochen. Die Inder brachten ihm Helm und Stock, entschuldigten sich aber nicht für ihre Nachlässigkeit. Sie machten ein wenig verächtliche
    Gesichter, als dächten sie, daß er nur bekommen habe, was er verdiente. Es war denkbar, daß der Sattelgurt mit Absicht
    gelockert worden war.
    »Der Sattel ist gerutscht«, sagte Flory schwächlich und
    dumm, wie man eben in solchen Augenblicken ist.
    »Warum zum Teufel konnten Sie nicht nachsehen, bevor Sie
    aufgestiegen sind?« sagte Verrall kurz. »Sie sollten wissen, daß man diesen Kerlen nicht trauen kann.«
    Mit diesen Worten zog er an seinem Zügel und ritt davon; für ihn war der Vorfall erledigt. Die Sepoys folgten ihm, ohne Flory zu grüßen. Als Flory an sein Tor kam, blickte er zurück und sah, daß das braune Pony schon eingefangen und neu gesattelt war und daß Verall darauf Tent-Pegging übte.
    Der Sturz hatte ihn so erschüttert, daß er selbst jetzt kaum seine Gedanken sammeln konnte. Was konnte sie veranlaßt
    haben, sich so zu verhalten? Sie hatte ihn blutend und
    schmerzgequält liegen sehen und war an ihm vorübergegangen, als wäre er ein toter Hund. Wie konnte das geschehen? War es geschehen? Es war unglaublich. Konnte sie ihm böse sein?
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    Konnte er sie irgendwie beleidigt haben? Alle seine Diener warteten am Gartenzaun. Sie waren herausgekommen, um beim
    Tent-Pegging zuzusehen, und jeder von ihnen hatte seine bittere Demütigung mit beobachtet. Ko S’la kam einen Teil des Weges den Hügel heruntergelaufen, ihm entgegen, sein Gesicht war besorgt.
    »Hat der Gott sich verletzt? Soll ich den Gott zum Hause
    zurück tragen?«
    »Nein«, sagte der Gott. »Geh und hol mir einen Whisky und
    ein sauberes Hemd.«
    Als sie ins Haus kamen, hieß Ko S’la Flory sich aufs Bett setzen und schälte das zerrissene, von Blut klebende Hemd von seinem Körper. Ko S’la schnalzte mit der Zunge.
    »Ah ma lay! Diese Wunden sind voller Schmutz. Sie sollten nicht solche Kinderspiele auf fremden Ponies spielen, Thakin.
    Nicht in Ihrem Alter. Es ist zu gefährlich.«
    »Der Sattel ist gerutscht«, sagte Flory.
    »Solche Spiele«, fuhr Ko S’la fort, »sind schön und gut für den jungen Polizeioffizier. Aber Sie sind nicht mehr jung, Thakin. Ein Sturz schmerzt in Ihrem Alter. Sie sollten mehr auf sich aufpassen.«
    »Hältst du mich für einen alten Mann?« sagte Flory ärgerlich.
    Seine Schulter tat scheußlich weh.
    »Sie sind fünfunddreißig, Thakin«, sagte Ko S’la höflich, aber fest.
    Es war alles sehr demütigend. Ma Pu und Ma Yi, die sich
    vorübergehend einmal vertrugen, hatten einen Topf mit einem grauenhaften Brei gebracht, den sie als gut für Wunden
    anpriesen. Flory sagte Ko S’la heimlich, er solle ihn aus dem Fenster werfen und statt dessen Borsalbe auf die Wunden tun.
    Während er dann in einem lauwarmen Bad saß und Ko S’la den Schmutz aus seinen Abschürfungen wusch, grübelte er hilflos
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    und, als sein Kopf klarer wurde, mit zunehmend tieferem Ärger darüber nach, was geschehen war. Er hatte sie bitter beleidigt, das war klar. Aber wie konnte er sie beleidigt haben, wo er sie doch seit gestern abend nicht einmal gesehen hatte? Und darauf fand er keine einleuchtende Antwort.
    Er erklärte Ko S’la mehrmals, daß der rutschende Sattel an seinem Sturz schuld war. Aber Ko S’la hatte zwar Mitgefühl, glaubte ihm aber offensichtlich nicht. Bis ans Ende seiner Tage, sagte sich Flory, würde man den Sturz seiner schlechten
    Reitkunst zuschreiben. Andererseits hatte er vor vierzehn Tagen unverdienten Ruhm geerntet, indem er den harmlosen Büffel in die

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