Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
zu einer widerlichen Kruste verfilzt. Außerdem war Blut über ihre Gliedmaßen geströmt und hatte rissige Linien auf ihre Flügel gezeichnet, die allmählich abblätterten, aber noch immer quoll neues Blut aus ihren Wunden, schwarz wie Tusche.
Die Dämonin wurde von einem heftigen Zucken geschüttelt, so als stehe ihr gesamter Körper unter Strom. Unwillkürlich traten wir beide einen Schritt zurück. Die Nägel lösten sich jedoch nicht.
Als sie einsah, dass es ihr in keiner Weise weiterhalf, uns anzuknurren, versuchte die Dämonin, uns einzuschüchtern und trotz ihrer Hilflosigkeit eine autoritäre Haltung anzunehmen. Ich konnte den Schmerz und die Müdigkeit in ihrer heiseren Stimme dennoch hören.
»Macht mich los, ihr beiden! Sofort! Sonst werdet ihr die bedauernswertesten Seelen in der gesamten Hölle sein, das verspreche ich euch!«
»Lass uns gehen«, flehte Caroline mich an und packte mich am Arm. Ich nahm es ihr nicht übel – die Stimme der Dämonin machte mir ebenfalls Angst. Schlimmer waren jedoch ihre Augen: katzenartig, riesig, weit auseinanderliegend und animalisch. In ihnen lag der glasige Glanz des rasenden Wahnsinns, und trotz ihrer schweren Lider schienen sie besonders weit hervorzutreten.
Doch es war noch etwas anderes in den Augen dieser Dämonin: Sie waren feucht. Und auch ihre Wangen waren nass. Als wir sie kurz zuvor überrascht hatten, waren Tränen über ihr Gesicht geströmt.
»Wer hat dir das angetan?«, wagte ich, die Kreatur zu fragen.
»Euresgleichen, du Narr. Was denkst du denn? Findest du das amüsant? Hältst du sie für besonders clever? Sie werden sich nicht mehr so clever vorkommen, wenn ich sie erst gefunden habe. Ich kenne ihren Geruch. Wären sie wirklich clever gewesen, hätten sie mich getötet …«
»Wir sollten es tun«, flüsterte Caroline mir ins Ohr.
Ich beugte mich zu ihr.
»Sollten was tun?«
»Wir sollten sie töten!«, zischte sie.
Tiefes Gelächter ließ uns aufblicken. Die nackte Frau schüttelte ganz langsam den Kopf. »Stellt euch doch nicht dümmer, als ihr seid. Ich werde vergessen, dass ihr das gesagt habt. Lasst mich frei.«
»Dann wirst du uns umbringen!«, wimmerte Caroline.
»Das werde ich nicht, du dumme Kuh! Ich verspreche es euch … ihr habt mein Wort. Wenn ihr mich befreit, werde ich euch nichts tun. Wieso sollte ich? Ihr habt mir das ja nicht angetan. Aber ich sage euch … je länger ihr wartet, desto wütender werde ich.«
Trotz ihrer feuchten Wangen kroch ein furchteinflößendes Lächeln auf ihr Gesicht. »Und jetzt kenne ich euren Geruch.«
»Lass uns gehen, bitte«, flehte Caroline wieder und versuchte, mich wegzuziehen. »Bitte!«
»Ich werde dich finden, du miese kleine Sau«, knurrte die Dämonin und fixierte meine Begleiterin mit festem Blick.
»Sie kann sich nicht selbst befreien. Beeil dich! Wir müssen hier verschwinden!«
Ich ließ meinen Blick auf den entsetzlichen Spieß sinken, der die Eingeweide der Frau durchbohrte. Die Schmerzen mussten unbeschreiblich sein. Ich musste es wissen – schließlich bin ich inzwischen ein Experte auf dem Gebiet der unbeschreiblichen Schmerzen. Würde sie überhaupt überleben, wenn ich sie tatsächlich befreite?
Ich machte zwei unsichere Schritte auf sie zu.
»Braver Junge«, gurrte sie heiser. Es klang wie ein obszönes Wiegenlied.
Mein Blick wanderte zu ihren Brüsten hinauf, die von dem tintigen Blut weitgehend unberührt geblieben waren. Sie waren voll, aber nicht übermäßig groß. Seltsamerweise waren ihre Nippel und Brustwarzen hellgrau. Der Rest ihrer Haut war weiß. Aber nicht weiß im Sinne von blass. Es war auch nicht das Weiß einer blutleeren Leiche. Sie war vielmehr weiß wie Papier, ihr Fleisch ohne jegliche Pigmentierung. Sie sah aus, als sei sie einem Schwarz-Weiß-Film entstiegen. Ihr langes Haar war vor Schweiß ganz feucht und schwarz wie Öl, ihre katzenartigen Augen hellgrau und ihre Lippen vom selben Grau wie ihre Brustwarzen. Diese Lippen … sie waren beinahe schon eine Karikatur ihrer eigenen Fülle: satt und überreif, wie Früchte, die schon zu lange am Strauch hängen und bald verderben. Als sie den Mund schloss, schienen sie sich zu einer höhnischen Kleinmädchen-Schnute zu kräuseln.
Mein Blick glitt über ihre langen Füße, ihre starken Schenkel, ihre androgynen breiten Schultern, ihre muskulösen Arme und den sehnigen Bogen ihres Nackens. Als sich unsere Blicke wieder trafen, errötete ich peinlich berührt.
»Wollust ist eine Sünde«,
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