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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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sagte sie, und ihre vollen Lippen verzerrten sich zu einem Grinsen.
    Ich verspürte tatsächlich eine gewisse Scham, weil ich einen weiblichen Dämon in ein Objekt meiner Begierde verwandelt hatte. Politisch korrekt, sogar in der Hölle.
    »Entschuldige«, murmelte ich und wandte den Blick von ihr ab. Ich trat jedoch noch etwas näher an sie heran.
    »Ich gehe!«, winselte Caroline.
    Ich warf ihr einen scharfen Blick über die Schulter zu. »Sie hat geschworen, dass sie uns nicht wehtun wird!«
    Caroline wich noch weiter zurück. »Ich gehe ohne dich weiter!«
    »Ich kann sie doch nicht so lassen!«
    »Warum denn nicht? Warum? Du weißt doch, dass sie eine von denen ist!«
    » Ich bin aber keiner von denen. Und ich kann auch nicht so sein. Ich muss sie losmachen.«
    »Du würdest auch keinen von den Pavianen befreien. Du willst ihr nur helfen, weil sie schön ist!«
    »Nein! Weil sie beinahe menschlich ist! Sieh sie doch nur an!«
    »Ich verschwinde jetzt!«
    »Selbst wenn sie uns wehtut – was kann sie schon tun, das uns nicht auch der nächstbeste Dämon antun könnte? Und der nach ihm?«
    »Ich will meine nächste Enthauptung so weit aufschieben, wie ich kann! Du hast anscheinend vergessen, dass ich gerade erst jahrelang auf einem Feld da hinten eingegraben war! Jahrelang! Ich kann den Gedanken nicht ertragen, schon wieder gefangen zu sein!«
    »Dann geh. Ich hole dich schon ein.«
    »Schön! Dann hol mich ein … wenn du noch gehen kannst, nachdem sie dich in Stücke gerissen hat!« Und damit rannte Caroline wie dem Wahnsinn verfallen in den dichten Wald, schlug Zweige zur Seite, tauchte in die finstere Vegetation ein und verschwand schließlich ganz.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder der gepfählten Dämonin zu und schluckte: »Willst du, dass ich … soll ich …?«
    »Zieh zuerst den Speer raus«, wies sie mich an. Ihre Stimme, in die sich ein leises Stöhnen mischte, klang nun etwas weicher. »Und dann versuchst du, mit der Speerspitze die Nägel zu lockern.«
    »Wenn ich ihn herausziehe, wirst du dann nicht verbluten?«
    »Ich halte eine Menge Schmerzen und Blutverlust aus. Ich werde wieder heilen. Zwar nicht so schnell, wie ihr es könnt, und ich kann auch keine abgetrennten Teile nachwachsen lassen, aber ich werde überleben.«
    »Aber du kannst auch sterben.« Ich blickte sie nun unumwunden an.
    Sie sah mir ebenfalls direkt in die Augen. »Ja. Ich kann sterben. Und? Wirst du mich jetzt doch töten?«
    »Nein. Ich habe doch gesagt … ich bin nicht wie ihr Dämonen.«
    »Ja, ich weiß schon. Du bist besser, höher entwickelt, bla, bla, bla. Aber wer ist hier nun wirklich der Gefangene?«
    »Tja, wer?«
    Sie lächelte erneut. »Komm schon. Sei ritterlich, mein liebes kleines Menschlein. Beweise deine Menschlichkeit. Zieh mir den Stachel aus der Pfote.«
    Ich streckte meine Hände aus und legte sie um den rauen Stab der schweren Eisenlanze. Ich umschloss ihn noch fester, zögerte dann jedoch. Ich hatte Angst, ihr wehzutun.
    Als ich schließlich doch mit einem heftigen Ruck daran zog, schrie sie auf. Von ihrem Geheul – es war dasselbe, das Caroline und mich überhaupt an diesen Ort geführt hatte – platzte mir fast das Trommelfell.
    Ein einzelner Ruck reichte aber nicht aus. Bei meinem letzten Versuch taumelte ich zurück und verlor beinahe den Halt. Ich sah, wie frisches Blut wie bei einer Schusswunde aus ihrem durchbohrten Bauchnabel strömte. Das schwarze Blut, das aus der unvermeidlichen Wunde in ihrem Rücken quoll, ergoss sich nun über ihre Schenkel.
    Als sich mein Blick wieder auf ihr Gesicht legte, sah ich, dass Tränen nun ungehindert über ihre Wangen flossen. Sie sah nicht mehr selbstgefällig aus – ihr Gesicht war zu einer Maske der Angst erstarrt. Ihre Wimpern waren schwarz, und die Haut rund um ihre Augen wirkte fahlgrau, was ihre eindrucksvolle Wirkung nur noch steigerte. Manchmal denke ich, Frauen sehen schöner aus, wenn sie unglücklich sind als wenn sie glücklich sind. Vielleicht behandeln manche Männer sie deshalb schlecht. Alles, was ich in jenem Moment wusste, war, dass dieses außerirdische Wesen das Schönste war, was ich jemals gesehen hatte. Ich fragte mich, ob Caroline in Bezug auf meine Beweggründe, sie zu befreien, nicht doch recht gehabt hatte – vielleicht waren sie ja gar nicht so erhaben und moralisch motiviert.
    Wie sie vorgeschlagen hatte, benutzte ich die Spitze des Stabes, um die Nägel herauszuziehen. Ich begann mit einem, der in ihrem Flügel steckte.

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