Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
ich und blickte mich erschrocken um.
»Ich glaube, das ist ein Dämon.«
»Klingt aber nicht wie die Paviane.«
»Es gibt noch jede Menge mehr als die«, zischelte sie. »Der Schöpfer holt sich Seine Kicks mit Seiner Kunstfertigkeit. Es gibt ja auch nicht nur eine Sorte Blumen, zu Hause …«
»Willst du lieber querfeldein durch den Wald weiter?«
»Das wäre vielleicht besser.«
Wir gingen vom Weg ab, zerbrachen dabei zahlreiche Zweige und raschelten durch das Blattwerk, sodass ich mich fragte, ob dies wirklich eine so gute Idee gewesen war. Wir hörten jedoch keine Schreie mehr. Sie schienen irgendwo aus der Gegend vor uns gekommen zu sein, auch wenn ich es nicht mit Sicherheit hätte sagen können. Ich sollte es jedoch schon bald herausfinden. Nachdem wir uns durch die tief hängenden, verdrehten Zweige zweier mit Blättern überladener alter Bäume geschlagen hatten, sahen wir eine Gestalt, die sich grellweiß vor einem dicken schwarzen Stamm abzeichnete, wie eine harte Silhouette auf einem Negativ.
»Oh mein Gott!«, platzte ich heraus.
»Schhh!«, warnte mich Caroline. Sie riss ihre Augen erschrocken auf – allerdings weniger aufgrund des Anblicks, der sich uns bot, als infolge meines Ausrufs.
Wir sahen eine Frau, nackt – und wunderschön –, die man an einer mächtigen Eiche gekreuzigt hatte.
Sie knurrte uns an, schob ihre Unterlippe nach vorn und zeigte uns ihre gefletschten Zähne. Obwohl sie ganz normale menschliche Schneidezähne besaß, erzielten sie eine ziemlich furchteinflößende Wirkung.
Wir hatten beide Angst davor, noch näher auf die Frau zuzugehen. Das lag an ihrer wilden Grimasse wie auch an ihren weit geöffneten Schwingen, die fest an die gefurchte Rinde des Baumes genagelt waren.
Wir waren vollkommen fassungslos. Sprachlos standen wir da und starrten die Kreatur mit offenen Mündern an. Dies war ganz offensichtlich ein Dämon … auch wenn er der am menschlichsten aussehenden Gattung angehörte, der ich bislang begegnet war. Aber weshalb hatte man ihn an diesen Baum genagelt? Wurde er von seinesgleichen für irgendetwas bestraft?
Jeder Flügel war von mindestens zehn oder zwölf Nägeln durchbohrt. Sie verteilten sich auf die vier regenschirmartigen Stützglieder mit ihren fingerähnlichen Gelenken sowie auf den schlanken Oberarm jedes Flügels. Ich fühlte mich an die Überreste des toten Teufels erinnert, den ich in unserem Versteck in Caldera gefunden hatte. Mir fielen die Adern auf, die sich durch die blasse Haut schlängelten. Dick und dunkel zeichneten sie sich unter der durchsichtigen Oberfläche ab und sahen aus wie geheimnisvolle kalligrafische Linien.
Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob dem Messias seinerzeit die Handflächen oder die Handgelenke durchbohrt wurden. Sicherheitshalber hatte man dieser Frau auch einige dieser dicken, barbarischen Nägel mit den breiten Köpfen durch Handflächen und Handgelenke geschlagen. Ich vermutete, dass die Dämonen diese Nägel selbst anfertigen, wobei sie wohl eher Zwecke wie diesen im Sinn haben als eine Verwendung auf dem Bau. Ich erinnerte mich wieder an meine eigene Kreuzigung nach meinem Abschluss an der Avernus-Universität. Ich kam zu dem Schluss, dass dieser Racheakt wohl doch nicht auf andere Dämonen zurückging, sondern auf verlorene Seelen wie mich selbst, die ihre Kreuzigungen ebenfalls nicht vergessen konnten.
Auch in den beiden Füßen der Teufelin steckten Nägel, aber im Gegensatz zu denen des Sohnes hatte man sie nicht sittsam übereinandergelegt: Ihre Beine waren lasziv über die breite Rundung des Stammes gespreizt, so als säße sie auf dem Rücken irgendeines riesigen Tieres. Zudem hatte man sie an den Knöcheln mit weiteren Nägeln in dieser Position fest verankert. Trotzdem war ich überrascht, dass all diese Nägel tatsächlich ausreichten, um sie an den Baum zu fesseln – schließlich waren alle Dämonenspezies für ihre unheimliche Kraft bekannt.
Aufgrund des Blutverlustes und der Schmerzen, die die schwarze Eisenspitze ihr bescherte, die man wie einen Speer in ihre Eingeweide getrieben hatte, war sie zweifellos geschwächt. Der Speer bohrte sich mitten durch ihren Nabel und pinnte sie wie einen Schmetterling an den Baum. Vielleicht war dies ja nur die perverse Antwort auf die Tatsache, dass ein Dämon, der nicht in einem Mutterleib gewachsen ist, überhaupt einen Bauchnabel hat.
An all diesen Nägeln klebte Blut. Es war über ihren flachen Bauch geflossen, angetrocknet und hatte ihr Schamhaar
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