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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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stellte mir vor, wie sie mir die Spitze des Speers ins Auge rammte … ihre Art, sich an den ehemaligen Sterblichen zu rächen, die sie bezwungen hatten.
    »Ich sollte mich lieber beeilen, wenn ich deine Freundin noch einholen will.«
    »Was? Warte … bitte …«
    »Sie wollte mich umbringen.«
    »Sie hatte Angst!«
    »Die hattest du auch. Aber du hast mir geholfen.«
    »Ich bin auch noch neu hier. Ich bin noch nicht so abgestumpft. Ich bin …«
    »Hör auf mit diesen Ausreden. Sei lieber dankbar dafür, dass ich dir den hier nicht auch in den Arsch schiebe, wie ich es bei ihr tun werde.«
    »Bitte!«, blaffte ich die Kreatur regelrecht an. »Tu das nicht! Tu es mir an, wenn du es unbedingt jemandem antun willst.«
    Sie neigte ihren Kopf zur Seite. »Du bist ein seltsamer Vogel. Ja … du bist wirklich noch ein Grünschnabel, nicht wahr? Ihr seid nämlich nicht alle so wie du.« Sie hielt mir die Speerspitze unter die Nase. »Die anderen haben mich mit dem hier gefickt. Gefällt dir der Geruch?«
    Ich drehte meinen Kopf weg. »Dann jag doch sie. Sie haben es verdient. Caroline nicht.«
    »Liebst du sie?«
    »Ich kenne sie kaum.«
    »Aber du hast sie gefickt.« Sie beugte sich ganz nah an meinen Hals, holte tief Luft und hob dann ihren Kopf, sodass unsere Nasen sich beinahe berührten. »Ich kann den Sex an dir riechen.«
    »Bitte«, wiederholte ich. Dank der Nähe nahm ich ihren beißenden Schweiß- und den metallischen Blutgeruch wahr. »Wenn du dich dafür revanchieren möchtest, dass ich dir geholfen habe, dann wirst du …«
    »Revanchieren?«, knurrte sie. Der wilde Glanz in ihren Augen erschreckte mich. Wütend traten sie aus ihren Höhlen hervor. »Ich muss mich dafür nicht revanchieren. Hast du das verstanden? Ich habe keinen Handel mit dir abgeschlossen! Ich habe mir meine Freiheit nicht erkauft! Du bist hier der Bestrafte, ich bin die Strafende!«
    »Es tut mir leid.«
    »Dachtest du, ich würde mich mit Sex dafür revanchieren? Ist es das? Denkst du wirklich, du würdest es überleben, dich mit mir zu vereinen? Ich würde dir den verdammten Kopf abbeißen wie eine Gottesanbeterin, du erbärmlicher kleiner Arschkriecher!«
    Sie warf den Speer. Der ganze Stab vibrierte, und seine Spitze bohrte sich zwischen meinen Füßen in den Boden.
    »Den brauche ich nicht, um deine kleine Freundin zu bestrafen«, fauchte sie. Damit stürzte sie in den Wald davon und riss dabei die Pflanzen aus, zwischen denen Caroline verschwunden war. Selbst als ihre weiße Gestalt mit den flaggenähnlichen Flügeln schon nicht mehr zu sehen war, hörte ich in der Ferne noch das Unterholz knacken.
    Ich riss den Speer aus dem Boden. Ich hatte das Gefühl, dass er sich noch als nützliche Waffe erweisen könnte. Da er bereits beinahe einen Teufel getötet hatte, würde er mich vielleicht vor weiteren beschützen. Für den Moment benutzte ich ihn als Wanderstab, während ich langsam hinter den beiden hertrottete, die vor meinen Augen in Richtung Oblivion verschwunden waren.

Neununddreißigster Tag
    Es muss ein Engel gewesen sein, der mich mit diesem Pfeil getroffen hat. Ein Teufel kommt direkt auf dich zu, grinst dich an und säbelt dir die Schädeldecke ab. Doch es sind die Engel, die gerne heimlich umherschleichen, Fährten lesen und jagen. Das ist ihr Sport. Sie können jederzeit hierherkommen und tun, wonach ihnen der Sinn steht.
    Ich verbrachte die Nacht – wie ich meine Stunden der Erholung noch immer nenne – in einer höhlenartigen Mulde am Fuß eines mächtigen Baumes, der bereits vor Jahren umgestürzt sein musste, vermutlich, weil er verrottet oder vom Blitz getroffen worden war. Falls er tatsächlich verkohlt war, lag der Beweis dafür nun unter dem violetten Moos verborgen, das seinen dicken Stamm bedeckte. Die Mulde war nicht sehr tief, aber immerhin tief genug, um mir Schutz zu bieten, als es zu regnen begann. Dieses Mal regnete es Wasser, kein Blut. Caroline und ich hatten den Wein zwar ausgetrunken, aber die Flasche hatte ich aufbewahrt, und ich stellte sie nun in den Regen, um etwas Wasser aufzufangen. Es gelang mir zwar nur wenig zu sammeln, aber ich war auch für das kleine bisschen dankbar.
    Als der Tag anbrach, machte ich mich wieder auf den Weg – wie ich hoffte, in die richtige Richtung. Vielleicht hätten wir am Tag zuvor doch lieber auf dem Pfad bleiben sollen. Nur etwa eine Stunde, nachdem ich mein Versteck verlassen hatte, traf mich der Pfeil.
    Es ist ein Armbrustpfeil, um genau zu sein. Wie nennen sie

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