Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
während Keith seine Trainingshosen so weit heruntergezogen hatte, dass ich wie hypnotisiert mit ansehen musste, wie sein blasser, stoppeliger Hintern rhythmisch pulsierte, beinahe so, als sei er sein Herz. Jedes Detail dieser fortdauernden Szene – hatte Keith einfach solches Standvermögen, oder sah ich nur eine Endlosschleife? – brannte sich immer schärfer in meinen Geist ein, viel tiefer und schmerzvoller, als das äußerliche Brandzeichen auf meiner Stirn es je vermocht hätte. Irgendwann fiel mir auf, dass an Pattys grünen Socken mit dem Zuckerstangenmuster ein loser Faden herunterhing und dass Keith versuchte, so unauffällig wie möglich auf den Fernseher zu schauen. Dieser befand sich zwar außerhalb der Szene, aber da sich sein bläuliches Flimmern sanft auf Keiths Profil widerspiegelte, wusste ich, dass er lief. Ich fragte mich, ob Keith sich wohl einen Sportsender oder einen Porno ansah – ich bezweifelte, dass es sich um eine Naturdokumentation oder Zimmer mit Aussicht handelte.
Von meinem persönlichen Zimmer mit Aussicht beobachtete ich, wie Keiths Pulsieren sich allmählich steigerte, wie seine Bewegungen immer tiefer wurden und wie Patty allem Anschein nach zu stöhnen begann – die Bilder waren ja ohne Ton. Als Keith sich bei seinem Orgasmus tief ihn sie hineinbohrte und Pattys Fäuste sich in die Falten seines Sweatshirts krallten, hielt ich weiterhin die Augen geöffnet. Auch wenn mein Unterbewusstsein meinen Fängern vielleicht verraten hatte, dass eine Szene wie diese mich am meisten quälen würde, beschwor sie tatsächlich nur ein geringes Gefühl des Verlustes oder der Wut in mir herauf. Den Verlust von Patty zu betrauern, kam mir inzwischen so vor, als würde ich mich über jemanden ärgern, der mir meinen Teller mit dem köstlichen Essen wegnahm, der vor meiner Nase stand, um mir anschließend die tote Maus zu zeigen, die unter dem Kartoffelpüree begraben lag: So als müsste ich eigentlich dankbar für diese Offenbarung sein. Ich konnte die beiden nicht hassen. Sie waren genauso erbärmlich wie ich es zu Lebzeiten gewesen war. Traurige, festgefahrene kleine Kreaturen, hungrig und gierig, die sich verängstigt und unzufrieden in ihrem Nest wanden. Ich hatte während meiner Ehe auch andere Frauen begehrt. Vielleicht hätte ich Patty ja zuerst betrogen, wenn sich eine passende Gelegenheit geboten hätte. Ich war auch nicht viel reiner oder weniger schmutzig als sie.
Es gab noch zwei weitere Gründe, weshalb mich diese Szene relativ unberührt ließ: Einerseits hatte das Leid, das ich in der Hölle erfahren hatte, dieser Folter den Schrecken genommen, auch wenn ich ihretwegen früher gewiss völlig in Tränen aufgelöst gewesen wäre. Und andererseits, und das war noch viel entscheidender, war ich nun in eine andere Frau verliebt.
Ich blinzelte unfreiwillig, und während meines Zwinkerns veränderte sich die Szene. Die neue Szene war viel schmerzvoller. Ich verspürte angesichts des Verlustes meiner Frau einen tieferen Stich. Denn dieses Mal sah ich uns als Paar, das ein entsetzliches Leid miteinander teilte. Wir befanden uns im Wartezimmer einer Klinik. Wir warteten auf eine Untersuchung, die bestätigen sollte, was wir bereits wussten … dass Patty eine Fehlgeburt erlitten hatte.
Ich erinnerte mich wieder an diese Wut – nein, ich fühlte sie erneut –, die stärker war als alles andere. Den Zorn darüber, dass diese anderen Frauen um uns herum noch immer schwanger waren und dass nicht auch ihre Träume wie ein Stück Papier zerfetzt worden waren. Dass Teenager schwanger wurden und abtreiben ließen, während wir hier saßen, voller Verzweiflung. Wir hatten dieses Baby gewollt. Aber der Schöpfer hatte allem Anschein nach andere Pläne gehabt, nur, um uns daran zu erinnern, wer wirklich die Fäden in der Hand hielt.
Dann die nächste Szene: die Beerdigung meines Vaters. Er lag, verbraucht und vertrocknet wie ein mumifizierter Zwerg, in seinem Sarg, seine rot karierte Schottenmütze auf dem Kopf. Er trug, da er selbst keine schicke Anzugjacke besessen hatte, das rotbraune Cordjackett, das er gemeinsam mit mir ausgesucht hatte, damit ich es bei der Hochzeit meiner Cousine tragen konnte, als ich noch ein Teenager gewesen war. Noch schlimmer war allerdings, dass ich meine arme kleine, verwelkte Mutter sehen musste. Sie stand wie benebelt in dem Bestattungsinstitut und wirkte, als habe man sie lebendig einbalsamiert. Plötzlich überkam mich die entsetzliche Angst, auch meine
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