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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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ungeschehen macht, durch die man sich aber wenigstens einen Teil seiner Würde erhält und die Ungerechtigkeit zumindest minimal ausgleicht. Das ist das Einzige, worauf wir letzten Endes hoffen können – egal, in welcher Version der Hölle.
    Meine Tränen waren getrocknet, als der Dämon zurückkehrte, um mich von meinem Stuhl loszuschnallen. Ich fühlte noch immer diese Trotzhaltung in mir und hätte ihm am liebsten gesagt, er solle mir nächstes Mal noch einen Eimer Popcorn dazugeben … aber ich wollte nicht, dass er mich für eine zweite Vorstellung erneut festgurtete. Vielleicht hätten sie mir dieses Mal doch noch meine eigene Beerdigung gezeigt.
    Als ich die Schwarze Kathedrale wieder verließ, war ich mir nicht ganz sicher, wie viel Zeit ich tatsächlich darin verbracht hatte … aber ich wurde auf dem Weg zu meinem Hotel nicht noch einmal abgefangen.
    Chara wartete dort nicht auf mich.

Dreiundsiebzigster Tag
    Als ich die nahen Schüsse hörte, dachte ich zuerst, die Motorrad-Engel hätten Oblivion noch immer nicht verlassen und wollten sich so lange in der Stadt herumtreiben, bis Chara gefasst und ihrer gerechten Strafe zugeführt worden war. Aber als ich an mein Fenster trat und hinunterblickte, sah ich eine Gestalt, die verstohlen über die Straße rannte und ganz offensichtlich ein Gewehr oder eine Pistole in der Hand hielt. Sie trug kein weißes Gewand. Sie musste zu den bewaffneten, rebellischen Verdammten gehören …
    Nun, da ich näher am Fenster stand, hörte ich aus der Ferne weitere Schüsse, bei denen es sich ebenso gut um Maschinengewehrsalven wie das Prasseln zahlreicher einzelner Schüsse handeln konnte. Dann erschütterte ein tiefer, schwerer Knall mein Fenster, das durch die Vibrationen des Maschinengebäudes ohnehin schon zitterte, noch heftiger. Es musste irgendwo eine Explosion gegeben haben.
    Dem Knall folgte ein schreckliches Geheul, das über der Stadt anschwoll und wie der perfekt harmonierende Chor weinender, angsterfüllter, gequälter Kinder klang. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich verstand, dass es sich dabei um die Stimmen der sechs kürbisartigen Aufseher in ihren Türmen am Stadtrand handelte, die einen sirenenartigen Alarm ertönen ließen. Es war ziemlich grauenvoll. Das Geheul hielt ungefähr fünf Minuten an, und in dieser Zeit wand sich – zumindest fühlte es sich so an – jede einzelne synthetische Zelle in meinem Körper.
    Während ich dasaß und in der Hoffnung, der Verlag würde diese Memoiren veröffentlichen, eine formelle Anfrage an Necropolitan Press verfasste, hörte ich, wie sich weitere Schüsse in der Stadt ausbreiteten, die gelegentlich von einem dumpfen Knall übertönt wurden … einer von ihnen war so laut, dass ich tatsächlich spürte, wie der Fußboden erbebte. Selbst ohne das Warnsignal der Aufseher konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, was hier stattfand …
    Das Heer der Himmelsboten war in Oblivion eingetroffen, um seine nicht vertrauenswürdige Dämonenbevölkerung auszulöschen, die Rebellenbewegung zu vernichten und die Ordnung in der Stadt wiederherzustellen.
    »Was wird jetzt mit Chara passieren?«, fragte ich Lyre, der traurig zu mir heraufschaute. Und was würde mit mir passieren? Konnte ich Inspektor Turner wirklich vertrauen und davon ausgehen, dass er keine Himmelsboten hierher schickte, um mich zu verhaften – und um mich mit neuen Foltermethoden bekannt zu machen, die alles, was ich bislang erlebt hatte, vergleichsweise blass erscheinen ließen?
    Während die Stunden vergingen und ich in meinem Zimmer auf und ab ging, nicht in der Lage, mich längere Zeit auf meinen Brief zu konzentrieren, wurde ich schließlich so unruhig, dass ich doch auf die Straße hinunterging, um mir aus der Nähe anzusehen, was in meiner unmittelbaren Nachbarschaft wirklich vor sich ging, denn der Blick aus meinem Fenster war durch das Maschinengebäude ziemlich begrenzt.
    Irgendwo vor mir konnte ich Rauch in der Luft riechen. Das Knallen der Schüsse klang hier draußen schärfer und deutlicher. In der Ferne hörte ich sogar Schreie und Gebrüll. All das war eigentlich nicht so viel anders als an einem ganz normalen Tag in Oblivion, aber davon abgesehen lag ein tiefes Brummen in der Luft, wie das Vibrieren, das man vor einem herannahenden Tornado spürt … es war, als formierten sich ominöse Mächte …
    Versteckt unter meinem Mantel trug ich auch die beiden Pistolen bei mir. Angesichts der Gewissheit, dass sich die Stadt um mich herum gerade in

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