Tagebuch aus der Hölle (German Edition)
Augen, ihres durchdringenden Leuchtens beraubt, starrten ins Leere. Der Ballonkopf war von Kugeln durchlöchert worden und in sich zusammengefallen; eine Flut aus widerwärtiger Flüssigkeit hatte sich über die Seite des Tisches ergossen und bildete am Boden eine Pfütze.
In der großen zentralen Halle befanden sich etwa dreißig weitere Angehörige von Charas Dämonenkaste: Einige von ihnen waren schwer verletzt. Einer hatte einen Flügel verloren und mehrere lagen im Sterben. Plötzlich streckte einer von ihnen den Arm aus und brüllte: »Da oben!«
Irgendwie war es den Himmelsboten gelungen, die Außenwand der Kathedrale zu erklimmen. Nun tauchte einer von ihnen in den Überresten des runden Fensters hoch über der Eingangstür auf. Im folgenden Schusswechsel sanken zwei Dämonen tödlich getroffen zu Boden, zwei weitere wurden verletzt, und der Himmelsbote wurde nach hinten aus unserem Blickfeld geschleudert.
Durch ein Ruckeln geriet ich ins Stolpern. Aufgrund meiner Verletzungen war ich ohnehin noch etwas benebelt. Chara packte mich erneut am Arm. Dann nahm ich das quälende metallische Quietschen wahr. Zunächst dachte ich, es sei das Maschinengebäude, das sich wieder aus dem Boden erhob, aber mir wurde schnell klar, dass die Schwarze Kathedrale sich auf ihren Schienen in Bewegung gesetzt hatte.
»Ihr habt sie entführt«, murmelte ich, den Mund voller Blut.
»Ja.«
»Ihr habt die Dämonen getötet, die hier drinnen waren ...«
»Nicht alle. Ein paar haben sich uns angeschlossen. Wir haben versucht, die anderen lebendig zusammenzutreiben, aber sie haben sich entschlossen, gegen uns zu kämpfen. Ist das ein Problem für dich?«
»Nicht, wenn es für euch kein Problem ist.«
Die beiden Dämonen, die der Himmelsbote verwundet hatte, wurden auf die Seite getragen, wo sie verarztet werden konnten, während die Toten lautstark betrauert wurden. Chara wandte ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu, nachdem sich das Durcheinander ein wenig gelöst hatte. »Komm mit mir … du musst dich ausruhen, bis du wieder geheilt bist.«
Ich ließ zu, dass sie den Kissenbezug mit meinen Habseligkeiten an sich nahm, und folgte ihr unsicher in Richtung einer der vielen Türen, die die Haupthalle säumten.
»Das ist der Grund, weshalb ich warten musste, bis ich dich aufsuchen konnte«, erklärte Chara, während sie mich durch die Tür in einen sehr schmalen Korridor mit niedriger Decke führte, der mir das Gefühl gab, ich befände mich in einem U-Boot. Durch den Dampf, der aus mehreren Ventilatoren zischte, war er ganz feucht. »Wir mussten all das hier erst planen.«
»Ich nehme an, wir fahren nicht einfach nur durch die Stadt …«
»Nein. Wir werden bald den Eingang zu den unteren Ebenen erreichen. Dort unten gibt es Tunnel, die Oblivion mit anderen Städten verbinden …«
»Steuert sie sich selbst?«
»Ja, aber der Kurs ist voreingestellt, und wir mussten erst einen vertrauenswürdigen Dämon finden, der sie neu programmiert. Wir hatten Glück, dass wir zwei Ingenieure aus einer der Folterfabriken gefunden haben, die mit uns fliehen wollten. Ihr nächster Halt wäre irgendwo anders in der Stadt gewesen, aber die Ingenieure haben stattdessen einen neuen Kurs eingegeben, der uns in die am weitesten entfernt liegende Stadt ihres Netzes führt … an einen Ort namens Gehenna. Von dort ist es zu Fuß oder mit der Kutsche nicht mehr allzu weit bis nach Pluto. Ein paar der Soldaten hier werden mit uns bis nach Pluto reisen, andere werden sich wohl in Gehenna niederlassen.«
Von dem Korridor führten noch weitere Türen ab. Chara schob mich durch eine hindurch in eine kleine Kammer, in der zwei Stockbetten an den Wänden festgeschraubt waren – sie waren offensichtlich für das eigentliche Personal der Kathedrale gedacht. In einem der oberen Betten lag eine zugedeckte Leiche, möglicherweise einer ihrer Kampfkameraden, der seinen Verletzungen erlegen war. Oder ein Mitglied der Mannschaft, das sie hatten töten müssen. Chara half mir in eines der unteren Betten. Ich stöhnte, als ich die Schmerzen in meinem Rücken spürte, aber näher als auf dieser dünnen Matratze würde ich dem Himmel wohl nie wieder kommen.
»Ich bleibe noch eine Weile bei dir«, sagte sie und ließ ihren nackten Hintern auf dem unteren Bett gegenüber nieder.
»Um mich vor deinen Freunden zu beschützen?«
»Niemand wird dir wehtun. So gern das einige von ihnen vielleicht auch wollen.«
Ich starrte in ihr Gesicht … vor wenigen Minuten noch so
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