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Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Tagebuch aus der Hölle (German Edition)

Titel: Tagebuch aus der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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vom Fenster ab. Ich griff nach einer der Pistolen und machte einen Schritt auf die Tür zu.
    »Wer ist da?«
    »Was denkst du wohl«, knurrte eine vertraute, kräftige Stimme.
    Ich hastete zur Tür und riss sie auf. Davor stand Chara, hinter ihr ein zweiter Dämon, der sehr angespannt wirkte. Sie glänzte vor Schweiß, an ihren glatten Beinen klebte Gipsstaub, und eine Wunde an ihrer Schulter war dick mit halb getrocknetem, schwarzem Blut verkrustet. Sie trug ihr Haar zu ihrem bevorzugten dicken Zopf zusammengebunden, während der Dämon, der sie begleitete, seines wie ein Samurai auf dem Kopf zusammengeknotet hatte. Jeder von ihnen hielt ein Gewehr in Händen, das sie vermutlich entweder Engeln oder Himmelsboten gestohlen hatten.
    »Was hat dich denn so lange aufgehalten?«, stieß ich erleichtert aus.
    »Das wirst du gleich sehen. Bist du bereit, die Stadt zu verlassen?«
    »Verlassen? Jetzt gleich?«
    »Na, du hattest doch genug Zeit zu packen, oder? Schnapp dir, was du brauchst … und beeil dich.«
    Die Dämonen betraten mein Zimmer und schlossen die Tür, während ich hastig Lyre und ein paar Ersatzklamotten in einen Kissenbezug stopfte. Während ich packte, fragte ich: »Also, wo gehen wir hin … nach Pluto?«
    »Ja.«
    Ich schaute ein wenig eifersüchtig zu dem fremden Dämon hinauf. »Und wie viele kommen mit uns?«
    »Das wirst du gleich sehen«, wiederholte sie knapp und blickte aus dem Fenster, während das Maschinengebäude immer tiefer im Boden versank. Im zitternden Fensterglas hatte sich ein Riss gebildet.
    »Was ist mit: Keine Armeen, keine Rassen, nur du und ich? «
    Chara atmete tief ein und bemühte sich ganz offensichtlich, ihre Geduld nicht zu verlieren. »Sei nicht kindisch. Das ist jetzt die beste Möglichkeit für uns, hier rauszukommen. Stärke durch Masse. Du und ich sind später dran.«
    Diskret hielt sich der andere Dämon aus unserer kleinen Zankerei heraus. Er konzentrierte sich ganz auf das Maschinengebäude. »Ich frage mich, ob es wohl auch in eine andere Stadt auswandert«, sagte er und trat ganz dicht an die schmutzige Scheibe heran, um zuzusehen, wie der Wolkenkratzer in den Eingeweiden unter der Stadt versank.
    Dann zerbarst das Fenster. Zunächst dachte ich, der bereits vorhandene Riss und die Erschütterung durch das Maschinengebäude seien die Ursache dafür, aber als der Dämon zurücktaumelte und der Länge nach zwischen Chara und mir zu Boden stürzte, sah ich das Einschussloch in seiner Wange. Hinter mir hatten sich Spritzer seines Blutes und kleine Fetzen seines Gehirns quer über mein Bett verteilt. Sein Blut war auch auf mich gespritzt.
    »Lass uns verschwinden«, zischte Chara.
    Ich schwang den Kissenbezug über meine Schulter, steckte die beiden Pistolen in den Hosenbund und griff hinunter, um die Ithaca-Pumpgun des toten Soldaten aufzuheben – sie hatte einen Pistolengriff anstelle eines Gewehrschafts –, bevor ich hinter Chara in den Flur eilte.
    Eine meiner Nachbarinnen linste hinter ihrer Tür hervor zu uns in den Flur, aber als sie Chara und unsere Waffen sah, zog sie sich sofort wieder zurück. Auf dem Treppenabsatz traf ich auf die junge Assistentin des Besitzers, die mir ihre Dienste angeboten hatte. Zu Tode erschrocken, den Arm voller schmuddeliger, zusammengefalteter Bettlaken, presste sie sich flach gegen die Wand, um uns vorbeirauschen zu lassen. Ich schätze, es war nicht nötig, ihr extra mitzuteilen, dass ich auscheckte.
    Als wir das Erdgeschoss erreichten, pochte mein Herz – oder vielmehr sein ätherisches Gegenstück – wie wild gegen meine Rippen. Das Gewehr schien auf Dauer zu schwer zu sein, um es nur mit einer Hand zu tragen. Ich fürchtete mich ebenso sehr davor, seiner unterdrückten Wildheit freien Lauf zu lassen, wie ich mich darauf verließ, dass es uns eine gewisse Sicherheit bescherte. Mit einem Gewehr hatte ich noch nie auf jemanden geschossen, außer auf mich selbst.
    Chara rannte zuerst aus der Vordertür, und bevor ich ihr über die Schwelle folgen konnte, hatte sie bereits mit ihrer eigenen Waffe das Feuer eröffnet. Ich ließ den Kissenbezug neben meine Füße fallen, um das Gewehr mit beiden Händen halten zu können. Zwei Himmelsboten waren in hockender Position über die Straße geeilt – der eine trug ein Schwert in der Hand, der andere allem Anschein nach ein Sturmgewehr. Ich nahm an – und ich bezweifle nicht, dass Chara dasselbe dachte –, dass es sich bei dem zweiten Himmelsboten um den Scharfschützen handelte, der

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