Tagebuch der Apokalypse 01
abscheulichen Kreatur fiel der Schatten auf, den ich warf, und sie versuchte, sich ihrer Mahlzeit entgegen zu bewegen - die Leiter hinauf.
Ich hätte beinahe gelacht, als das Ding den Aufstieg versuchte. Ich nehme an, es war abgestürzt und hatte sich die Schulter gebrochen. Es stellte wiederholt einen Fuß auf die unterste Leitersprosse und fiel dann aufgrund mangelnder Koordination aufs Kreuz.
Der untote Ex- Offizier trug die gleiche Uniform wie die beiden, die wir bei unserer Ankunft gefunden hatten. Angesichts dieser Übereinstimmung und der Tatsache, dass irgendwas das Zahlenschloss geöffnet hatte, rechnete ich mit dem Schlimmsten. Ist es möglich, dass diese Kreaturen über mehr verfügen als nur primitive Resterinnerungen? Der Offizier war wahrscheinlich hier stationiert gewesen. Er war vor Monaten ums Leben gekommen, um gestern Nacht hier hereinzustolpern und sich irgendwie daran zu erinnern, wie man den fünfstelligen Code eingab, der einen einließ.
Nun stand die Frage seiner Entsorgung an. Ich konnte es mir nicht leisten, hier herumzuballern. Also beschloss ich, halb in den Schacht hinabzusteigen und ihn von dort aus zu erledigen. Ich war zwar nicht wild darauf, aber so war es mir lieber, anstatt die Aufmerksamkeit der Legionen an der Vorderseite des Komplexes auf mich zu ziehen.
Ich schwang die Beine über den Schachtrand und kletterte, die Waffe über der Schulter, hinab. Nach der Hälfte der Strecke hielt ich mich mit der linken Hand fest und machte die Büchse schussbereit. Die Kreatur war tollwütig; sie wünschte sich, dass ich abstürzte und mir die Beine brach. Wenn sie mich fraß, würde ich hilflos sein. Ich stellte mir vor, wie sehr das Biest mich hasste, legte an und vernichtete es.
Ich erzählte John, was los war. Er zeigte deutliche Besorgnis hinsichtlich des Schachttors und der vermuteten Fähigkeit des Dings, es geöffnet zu haben. Ich hätte liebend gern die Taschen des Ex- Offiziers durchsucht, war aber nicht in der Stimmung, es sofort zu tun. Wir wollten bis Morgen warten und ihn dann nach oben bringen, um ihn zu entsorgen.
4. Mai
21.09 Uhr
Heute wäre meine Mutter fünfzig geworden. Ich habe keinerlei Hoffnung mehr, dass meine Familie überlebt hat. John und ich haben den Code am Zauntor für den Fall geändert, dass wir weitere Besucher bekämen. Am Tag nach der Begegnung mit dem »Schachtspringer« haben wir beschlossen, seine Taschen zu durchsuchen. Wir fanden rein gar nichts. Er hatte allerdings etwas bei sich, das mir auffiel. Am linken Handgelenk trug er eine hübsche neue Omega-Uhr. Bringt nichts, sie auf den Müll zu werfen.
Die Armbanduhr ging eine Stunde nach, weil er sie nicht auf Sommerzeit umstellen konnte. Abgesehen davon läuft sie akkurat. Es ist eine automatische Uhr, die sich durch körperliche Bewegung von allein aufzieht. Ein hübscher Fund.
Heute Nacht werde ich im Schutz der Dunkelheit das Flugzeug inspizieren. Habe heute mit Laura gespielt. War auch mit Annabelle draußen spazieren. Ich ließ sie frei laufen und habe dabei die schwache Barriere rings um das Schachttor repariert. Dort, wo der untote Offizier gestolpert und abgestürzt war, gab es eine offene Stelle.
Der Wind hat sich gedreht. Annabelle hat sie wieder gerochen. Ihre Haare haben sich gesträubt, bis sie wie ein Igel aussah. Dann fing sie an zu bellen. Ich deutete auf den Hund und signalisierte Laura, ihn hochzuheben. Es war ziemlich komisch zu sehen, wie die Kleine versuchte, Annabelle zu halten, während sie randalierte. Ich nehme an, dass wir für einen Tag genug von ihrer Welt haben. Wir gingen wieder rein.
7. Mai
20.36 Uhr
Obwohl man das Rauschen des abendlichen Regens im Inneren des Bunkers nicht hört, weiß ich, dass es ebenso existiert wie das Ächzen und Stöhnen der Toten vor der Tür. Donner und Blitze beherrschen den Himmel seit Stunden. Das CCT- Bild knistert, wenn Blitze in unserer Nähe einschlagen. Ich vermute, dass uns da, wo wir sind, kein Sturm etwas anhaben kann, aber ich wette, ein Tornado könnte den Zaun fortreißen.
Zwischen diesen Störungen kann ich die untote Horde im Freien ausmachen. Viele reißt der Wind von den Beinen. Andere werden von der hin und her wogenden Flut ihrer Genossen umgehauen. Als ich gestern im Salonbereich herumkramte, bin ich auf das Buch »Oryx und Crake« von Margaret Atwood gestoßen. Ich habe den größten Teil der Nacht und des heutigen Tages damit zugebracht, es zu lesen. Es ist auf eine bizarre Weise eine Parallele meiner eigenen
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