Tagebuch der Apokalypse 02
Saien und ich uns nach Möglichkeit darauf verließen. Wir saßen auf dem Dach eines Güterwaggons mit der Aufschrift »Northern Railroad« und versuchten uns in der Sonne aufzuwärmen. Die Waggonwände waren mit zahllosen Graffiti aus der Zeit vor dem Zusammenbruch dekoriert. Der größte Teil des Geschmiers waren Bandenzeichen und geheimnisvolle Hobo-Signale. Als ich mit der Inspektion der einen Waggonseite fertig war und mir die andere vornahm, rief Saien, ich solle raufkommen. Ich stieg über die Leiter zum Waggon hinauf, und als ich übers Dach hinwegschaute, sah ich ihn auf seinem Drag Bag liegen und nach Osten starren. Ich ging zu ihm hin und fragte, was los sei.
Saien klappte das Zweibein aus, ließ die Schulterstütze des Gewehrs auf seiner Jacke ruhen und sagte: »Schau mal.«
Ich blickte durch sein stark vergrößerndes japanisches Fernglas und sah den Grund seiner Besorgnis. Eine riesige Staubwolke wirbelte am Horizont heran. Ohne den Blick durch die Optik seiner Waffe hätte man sie für ein wogendes Regenwölkchen halten können. Ich hatte den Eindruck, dass wir dort möglicherweise einen Untotenschwarm sahen.
Wenn es einer war, übertraf er alles, was wir seit dem Tag unserer Begegnung gesehen hatten. Die bloße Präsenz eines knapp fünfzehn Kilometer von uns entfernten Schwarms bedeutete aber nicht unbedingt, dass er auf unsere Stellung zukam. Man konnte eher annehmen, dass er in unsere allgemeine Richtung nach Südwesten hin unterwegs war und, wenn er an den Fluss kam, entweder auf- oder abwärts zog. Der Fluss konnte sie entweder in unsere Richtung lenken, oder sie konnten kollektiv flussaufwärts ziehen. Wir verbrachten den Rest unserer verkürzten Mittagspause mit dem Versuch, die Richtung und Geschwindigkeit der Masse zu berechnen, doch ohne Erfolg.
Wir haben den Punkt des Eindringens in Rekordzeit erreicht. Kurz vor der Brücke, auf einem hohen Hügel. nahmen wir ein wenig Aufklärung vor. Ein rostender Abrams- Panzer stand genau vor der Brücke quer auf der Straße. Die Farbe war zwar noch nicht abgeblättert, aber überall auf den dicken Stahlteilen zeigten sich Rostflecken. Eine Fernmessung des Geigerzählers enthüllte, dass er eine mittelhohe Strahlendosis abgab. Sie war zwar nicht sofort tödlich, aber mehrere Nächte hintereinander wollte ich in dem Ding nicht verbringen. Auf dem Panzer waren überall Eiterschlieren zu sehen. Die zivilen Fahrzeuge in der Umgebung waren schwer beschädigt, fast so wie die auf der Hauptstraße des Kaffs, durch das wir Tage zuvor gefahren waren.
Bevor wir den Hügel runter zur Brücke fuhren, schauten wir uns die Staubwolke nochmal genau an. Sie wurde deutlich größer. Der Wind wehte schwache Geräusche heran, die solches Unbehagen in mir auslösten, dass ich mich anstrengen musste, die Nerven zu behalten. Als es den Hügel hinabging. demoralisierten mich die Dimensionen der Brücke. Sie war so lang, dass die Fahrzeuge auf der anderen Seite wie weit entfernte Pünktchen aussahen.
Aus der Nähe erkannte ich, dass die Luke des rostenden Abrams- Panzers ein Stückweit offen stand. Ich sprang auf den Panzer und öffnete sie mit ein wenig Anstrengung ganz. Die Geigerzählermessung blieb konstant. Ich leuchtete ins Fahrzeuginnere und scheuchte einen Vogel auf, der mich fast zu Tode erschreckte und hinausflog. Der Panzer war unbemannt.
Ohne ihn zu bewegen bestand keine Möglichkeit, mit unseren Fahrzeugen an ihm vorbeizukommen. Ihn abzuschleppen war nicht möglich, denn er wog ein Vielfaches unseres Lasters. In einem Fach neben den Kontrollen fand ich Bedienungshandbücher. Ich folgte den Instruktionen und brachte den Motor nach drei Versuchen zum Laufen. Der Panzer war zwar noch funktionstüchtig, aber es hatte den Anschein, dass der Düsentreibstoff im Tank kontaminiert war, da ich den Motor nie so weit kriegte, dass er auf die im Handbuch angegebene optimale Funktionstemperatur beschleunigte. Dies führte dazu, dass er sich schwerfällig und träge bewegte.
Nach einer kurzen Aufwärmperiode schaltete ich den Panzer ein und gab Gas. Er tat einen Satz nach vorn. Der Geruch brennenden Düsentreibstoffs breitete sich im Inneren des Fahrzeugs aus und durchdrang alles. Nachdem ich angehalten hatte, gelang es mir, ihn laufen zu lassen, bis ich Saien geholfen hatte, unsere Fahrzeuge auf die Brücke zu fahren.
Als Buggy und Laster sicher auf der Brücke standen, lief ich zum Panzer zurück, um ihn umzustellen. Dabei fiel mir auf, dass jemand »TROLL« auf den
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