Tagebuch der Apokalypse 02
versuchten wir, so viele Staaten wie möglich anhand der Nummernschilder aufgegebener Autos zu sammeln. Als wir uns Anaconda näherten, konnten wir bald bestätigen, dass sie sehr lang war. Die meisten der grünen Einfüllwaggons schienen über Kilometer hinweg mit Kohle gefüllt zu sein.
Wir fuhren am Gleis entlang und zählten die Waggons. Der Boden darunter wies schwarze Flecken auf, denn das in vielen Monaten vom Himmel gefallene Regenwasser hatte die Halden durchdrungen und war auf den Boden gesickert. Am Ende des Gleises sahen wir am E-Werk eine riesige Kohlenhalde und die rostigen Rümpfe von Bulldozern, die das schwarze Gestein einst bewegt hatten. Ein Bulldozer war umgekippt, der Rest parkte in einer Reihe. Wir zählten außer dem Triebwagen 115 Waggons. Als wir das vordere Tor erreichten, wogte Nebel heran. Ich fuhr den Buggy aufs Betriebsgelände. Saien schloss sich mir an. Ich stieg aus, zog das Tor hinter uns zu und verriegelte es mit dem Zughaken im Bodenloch. Saien tat bereits das, woran ich dachte. Er holte die Gatling raus, und wir stellten sie am Eintrittspunkt auf. Der Aufbau dauerte drei Minuten. Ich parkte den Buggy an einer Stelle, die uns ein schnelles Türmen ermöglichte. Saien fuhr den Laster hinters Gebäude, um die zweite Gatling aufzubauen. Es regnete. Wir hatten mieses Wetter, und ich war froh, dass die Geräteprototypen ihr Ziel mit Radar und Wärme fanden, weil man bei diesem Scheißdunst kaum etwas sehen konnte.
Als die Sonne sich hinter die finsteren Wolken verzog, dachte ich das Gleiche wie schon viele Nächte zuvor. Die Reaper- Drohne würde bald mit meinen beiden 500 Pfund LGBs nach Hause fliegen. Wir brauchten nicht lange, um einen sicheren Raum mit zwei Ausgängen zu finden. Wir hatten vor Einbruch der Nacht keine Zeit mehr, die Umgebung zu prüfen, also mussten wir das Beste draus machen. Von den Gatlings habe ich keinen Pieps gehört, und so gefällt es mir.
29. Oktober
12.00 Uhr
Saien hat mich heute früh völlig grundlos geweckt, weil er pinkeln gehen wollte. Obwohl es mich ärgerte, waren wir übereingekommen, dass keiner von uns irgendwo hinging, ohne aus der Sichtweite des anderen zu verschwinden. So trat ich also hinter ihm knurrig in den kalten Oktobermorgen hinaus. Die Sonne war verschwunden. Mir wurde bewusst, dass auch ich dem Ruf der Natur folgen musste. Als ich dazu beitrug, die Schlammpfütze zu füllen, die der Regen gestern Abend erzeugt hatte, schaute Saien zum Vordertor und ich zum Hintertor hinüber. Als mein Blick in die Ferne schweifte und die Kanone fand, fiel mir auf, dass sie sich nach links neigte. Als ich die Waffe am Abend zuvor allein gelassen hatte, war sie gerade zur Zufahrtsstraße hin ausgerichtet gewesen. Ich steckte meine Pistole weg, schulterte ein Gewehr und begab mich ans Tor. Ich war bereits ein paar Sekunden unterwegs, als Saiens Schritte hinter mir ertönten. Als ich nahe genug war, fiel mir auf, dass der Wind leere Patronenhülsen am Fuße der Standkanone hin und her rollen ließ. Nur ein paar.
Ich schaute zur Straße hinaus und erblickte zwei tote Vögel. Ich lief zu ihnen hinüber und sah, dass es Enten waren. Erst dann kapierte ich, dass ich mich im Schussfeld der Gatling befand und schrie Saien zu, die Waffe abzuschalten. Ich hob die beiden Enten am Hals hoch und eilte zurück, um sie zum Verzehr vorzubereiten. Diese Gelegenheit, an Frischfleisch zu kommen, konnten wir uns nicht entgehen lassen.
Ich köpfte die Enten mit meinem Messer. Saien lief los, um eine Ladung Kohlen von der riesigen Halde zu holen. Nach ungefähr dreiviertelstündiger Zubereitung waren sie reif zum Kochen. Mit Anmachholz und Kohlen bauten wir ein Lagerfeuer und genehmigten uns zum Brunch Ente. Als unsere Beute größtenteils verzehrt war, überprüften wir das E-Werk und schauten uns auf dem Gelände nach nützlichen Dingen um. Mit vollem Magen wird man schnell müde, aber ich hatte keine Wahl. Ich wollte das Fleisch nicht verderben lassen. Bei dem Versuch, der Gebietsüberprüfung methodisch nachzugehen, kamen wir in das Treppenhaus, das zum Hauptkontrollraum im ersten Stock führte. Ganz oben an der Treppe lag eine Leiche. Sie war schon so lange tot, dass sie wie ein mit Knochen gefüllter Seesack aussah. Es war so dunkel, dass ich gezwungen war, mein Waffenlämpchen anzuschalten und die Restleiche mit dem Lauf umzudrehen. Die Stickerei auf dem Overall war kaum noch zu entziffern, aber der Mann hieß Bill und war Kesselmechanikermeister gewesen.
Ich
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