Tagebuch der Apokalypse 02
unterstützt.«
»Dann kann ich also davon ausgehen«, sagte ich, »dass die Marine die Pest überlebt hat?«
»Am Anfang haben sich 'ne Menge Schiffe in schwimmende Särge verwandelt«, erwiderte Sergeant Handley. »Als es losging, waren von zehn Flugzeugträgem im aktiven Dienst nur vier nicht infiziert und wurden auch nicht von Untoten überrannt. Es interessiert Sie vielleicht, dass wir auch noch 'n Raketen- U-Boot haben, das sieben Monate unter Wasser war. Die Leute in dem Kahn leben nur von Eipulver, Trockenobst und Fleisch. Dieses Boot ist das letzte Stück normaler Lebenskreislauf ... An Bord kann man noch heute sterben, ohne dass man wiederkehrt.«
Ich fragte den Artillerie- Sergeant, was er damit meinte.
»Das Boot war schon unter Wasser, als es losging, deswegen war es von dem, was die Toten wieder aufstehen lässt, nicht betroffen. Die haben auf ’ner sehr niedrigen Funkfrequenz mitgeteilt, dass im Februar einer ihrer Leute ’nen natürlichen Tod gestorben und nicht wieder aufgestanden ist. Nach ’ner vierundzwanzig Stunden langen Beobachtung hat der Schiffsarzt die Leiche in die Kühltruhe gelegt und selbige mit Tauwerk zugebunden. Der Tote hat sich seither nicht gerührt. Natürlich muss das Boot irgendwann wieder auftauchen, schon wegen des Proviants, aber im Moment ist es, soweit wir wissen, als Einziges nicht betroffen. Alle anderen U-Boote haben nicht den richtigen Zeitraum erwischt, um sich vor dem Virus zu verpissen. Vermutlich tragen wir alle irgendeine schlummernde Form dieser Pest in uns ... die auf den Tag wartet, an dem unser Herz zu schlagen aufhört. Tja, wir sitzen echt metertief im Kot, mein Lieber.«
Eine beunruhigende Stille folgte. Sie wurde von einer Salve unterbrochen, die jemand auf die Kreaturen abfeuerte.
»Wir wollen kein Riesenloch in Ihr Clubhaus ballern und es Ihnen wegnehmen, Sir«, sagte der Sergeant. »Können wir uns nicht irgendwie friedlich einigen? In unserem Lager sind auch Zivilisten, die froh sind, noch am Leben zu sein.«
»Wir werden aber in Ihrem Lager nicht glücklich sein, Sergeant. Wir sind für so was nicht geschaffen. Wir haben überlebt, seit es losgegangen ist und waren, bevor wir diesen Ort gefunden haben, fast immer auf der Flucht.«
»Es ist beeindruckend, ändert aber nichts an der Tatsache, dass dieser Komplex unter die Jurisdiktion des Militärs fällt.«
»Sie haben mir noch immer nicht bewiesen, Sergeant, dass Sie keine versprengte Militäreinheit sind, deren Handlungen keine regierungsamtliche Stelle deckt.«
»Sir, wir haben es regierungsamtlicher Führung und regierungsamtlichem Zögern zu verdanken, dass wir bis zum Hals in der Scheiße sitzen und kurz vor der Ausrottung stehen.«
»Tja, Sergeant, da haben Sie vielleicht nicht ganz Unrecht. Andererseits haben wir diesen Ort gefunden und wollen nicht unter der eisernen Faust von wem auch immer leben. Nicht mal dann, wenn es die Faust des amerikanischen Militärs ist.«
Handley antwortete nur »Na schön«, dann kehrten wir wieder zur Funkstille zurück. Dies war die Nacht des Sechzehnten. Zwei Stunden nach dem letzten Funkspruch ging die erste Ladung im Raketenschacht hoch. Sie hatte, wenn man von einem kaum sichtbaren Riss in dem zwanzig Zentimeter dicken Fensterglas der Sicherheitstür absah, keinerlei Auswirkungen. Dann kam die nächste Detonation. Und die übernächste. Die zuvor schon beschädigte Schachtkamera wurde außer Gefecht gesetzt und gab fortan nicht mal mehr den Anflug eines sichtbaren Signals ab. Die Explosionen hatten keine Auswirkungen.
Als ich darüber nachdachte, fragte ich mich, ob die zivilen Banditen, hätte ich sie nicht in die Luft gejagt, eine Chance gehabt hätten, mit ihren Schneidewerkzeugen hier einzudringen. Der mit Metall und Fiberglas verstärkte Beton, aus dem Hotel 23 bestand, war sehr stark. Ich nehme an, er könnte sogar einer Atomexplosion widerstehen. Nun empfand ich doch den Anflug eines schlechten Gewissens, denn es war eigentlich unnötig gewesen, die Banditen umzubringen. Vielleicht hätten sie aufgegeben, wenn sie gemerkt hätten, dass der Einsatz ihrer Werkzeuge nichts brachte. Vielleicht bräuchte ich sie dann jetzt nicht als wandelnde Flammengestalten vor mir zu sehen. Die Vernunft allerdings sagt mir, dass sie es verdient haben ...
Jede Synapse klingelnde Pein.
Beim Ertönen der nächsten Explosion wischte ich den Gedanken beiseite. Ich spürte eine leichte Druckveränderung. Sie führte dazu, dass ich mir die Nase zuhielt, den
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