Tagebuch der Apokalypse 02
dich ein; um des Hasses willen spucke ich mit dem letzten Atemzug nach dir.« (Herman Melville/Kapitän Ahab).
Und auf geht's zur Pequod.
22.01 Uhr
Zweihundertsiebzig Kilometer in gerader Linie, das war die Entfernung zum Lake Charles. Es sollte aber kein gerader Schuss für mich werden, da ich mir vorgenommen hatte, nochmal über dem Hobby-Flugplatz zu kreisen, um nachzusehen, ob der Tankwagen - für den Fall, dass ich ihn auf dem Rückflug brauchte - noch dort stand. Ich konnte knapp neunhundert Kilometer zurücklegen, bevor meine Kiste vorn Himmel fiel.
Als ich in sechshundert Meter Höhe über den Flugplatz düste, sah ich den Tankwagen dort stehen, wo wir ihn hatten stehen lassen. Ich konnte auch erkennen, dass eine Scheibe des Flughafengebäudes zerschlagen war und zahlreiche Untote aus der neuen Öffnung aus dem Gebäude heraus- und hineinströmten. Sie führte auf ein Dach, das knapp sechs Meter über dem Rollfeld lag.
In der Nähe des Tankwagens sah ich niemanden. Ich weiß allerdings, dass Untote keine Höhenangst und nichts dagegen haben, einfach in den Abgrund zu laufen, wenn sie glauben, aufgrund ihrer Bemühung winke ihnen eine Mahlzeit. Zufrieden mit dem, was ich sah, flog ich nach Nordosten zum Lake Charles. Die Sonne stand hoch am Himmel. Sie leuchtete mir genau in die Augen, als ich in 7000 Fuß Höhe die Horizontale verließ. Eine halbe Stunde später konnte ich in der Feme die Überreste der Stadt Beaurnont ausmachen. Ich beschloss, tiefer zu gehen und nach möglichen Überlebenden Ausschau zu halten. Laut meinem Kartenmaterial war Beaurnont ein mittelgroßer Ort.
Rauch und Feuer umwirbelten die höheren Gebäude. aber auch das Innere der Häuser. Sie sahen aus wie Streichhölzer unterschiedlicher Länge. Jedes wies seine eigene Form von Feuer und Rauch auf. Wenn das Satellitenfotosystem unseres Bunkers ordentlich funktioniert hätte, hätte ich mir den Ausflug sparen können. Wir hatten den Passierschein nach Louisiana (den Satellitenfußabdruck) zwei Wochen zuvor verloren. Ich hätte die Koordinaten von Lake Charles sehr gern eingegeben und mir Antworten geholt, ohne das Haus zu verlassen.
In diesem Gebiet gab es keinen Strom mehr. Die roten Antikollisionsleuchten auf den hohen Funktürmen waren allesamt ausgeschaltet, was mir noch mehr Spaß bereitete. Ich flog niedrig und langsam und schaute mir die noch nicht in Flammen stehenden Straßen und Gebäude genau an. Doch sosehr ich meine Augen auch anstrengte: Überlebende sah ich nicht. Das Einzige, was sich an diesem schönen Sommertag da unten bewegte, waren sie ... Die, die nicht zu uns gehören.
Nachdem ich dreimal etwas überflogen hatte, das ich für das Stadtzentrum hielt, war ich überzeugt, dass hier niemand mehr lebte. Jedenfalls war kein Schwanz da, der mir ein Zeichen gab. Der Flugplatz von Lake Charles lag knapp achtzig Kilometer östlich von Beaumont. Bei meinem gegenwärtigen Tempo würde ich ihn in 28 Minuten erreichen. Dies erwies sich als sehr lange Wartezeit. Hinsichtlich meiner Begegnung mit den Überlebenden war ich besorgt. Ich wusste ja nicht, was mir bevorstand. Auf dem Zettel in meiner Tasche stand zwar eindeutig »Familie Davis«, aber ich wusste noch immer nicht, ob sie sich als Freund oder Feind erweisen würde. Verdammt nochmal, das Datum betraf den 14. des vergangenen Monats. Ich hatte nicht mal eine Garantie, ob die Leute noch auf den Beinen standen - beziehungsweise noch welche hatten.
Nach nicht allzu langer Zeit konnte ich einen vor dem Bug meiner Maschine größerwerdenden sichelförmigen See erkennen. Auf der Landkarte lag er nur ein Stückchen südwestlich meines Zielortes. Ich musste diese Leute finden. Für meine Freunde konnte sich, falls etwas zu stieß, ein zweiter Pilot als sehr nützlich erweisen. Allein Davis' Anwesenheit war eine Art Versicherungspolice.
Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel. Es war fast 14.00 Uhr, als ich den Flugplatz erreichte. Ich musste einen kleinen Schaufensterbummel machen, um ihn unter mir in dem Qualm und Durcheinander des Stadtgebietes zu finden. Ich ging mit dem Bug runter, verlangsamte auf 70 Knoten und leitete den Landeanflug ein. In der Nähe des Rollfeldes sah ich zahlreiche Gestalten.
Aus meiner Höhe betrachtet schien es da unten jede Menge Überlebende zu geben. Sogar aus der Ferne konnte ich ihre hellen bunten Klamotten erkennen, die sich gänzlich von dem dreckigen zerrissenen Zeug der Untoten unterschieden. Ich hatte sogar den Eindruck, dass die
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