Tagebuch der Apokalypse 3: Roman (German Edition)
ist?«
»Tja, im Moment nutzen wir unsere KYV-5-Kryptoboxen, um geschützt mit Sanduhr zu sprechen. Wie sollen wir mittels Kurzwelle empfindliche Daten zu Sanduhr und zurück senden, wenn wir die Arktisstation als Mittelsmann einsetzen?«
»Da müssen wir noch mal zur Schule gehen und uns in Geheimschrift und unsichtbarer Tinte üben«, sagte John.
»Kein Mensch weiß heute mehr, wie das geht, Boss. Der letzte echte Marinefunker, der sich damit noch auskannte, ist wahrscheinlich vor zwanzig Jahren in Pension gegangen. Wir sind ’ne Bande von IT-Computerfreaks.«
»Wir müssen die verloren gegangenen Verständigungsmethoden neu erlernen und alles vergessen, was die Entwicklung uns gebracht hat, denn wir können sie nicht mehr anwenden. Ihr habt jetzt alle euren Marschbefehl – macht euch also an die Arbeit.«
Das Grüppchen löste sich auf – bis auf jene, die die Funkstation derzeit bemannten. Als die Leute gingen, dachte John eine Weile nach. Er ging zur Tech-Control hinüber, wo alle Stromkreise notdürftig zusammengeflickt waren, und dachte sich: Wir führen Geheimtext der ZfFu zu, wie schwierig könnte es also werden? Die in seinem Inneren herumschwebende Theorie war nicht sehr kompliziert. Im Zeitraum weniger Minuten tüftelte er aus, wie man den Stromkreis ansprach, der unmittelbar in die ZfFu der noch immer aktiven Anlage in Nevada eingespeist wurde. Er wollte den verschlüsselten Stromkreis spleißen und einen Spleiß zur ZfFu und den anderen durch sein spezielles KG-84C-Chiffriergerät laufen lassen, denn es enthielt den Geheimtext, den die ZfFu benutzte – Geheimtext, den sein Büro ausgegeben hatte.
Er wollte niemandem davon erzählen, denn auf dieser Ebene kam die Strafe für Netzintrusion rasch und fiel übel aus. Er rechtfertigte sich, indem er sich einredete, dass er es für Kil tat, und nicht, um kindliche Neugier zu befriedigen.
Sechsundzwanzig
Irgendwo im Inneren des Polarkreises
»Langsamer!«, schrie Crusow.
»Was soll der Scheiß, verdammt?«, schrie Bret durch den peitschenden Wind und die Dunkelheit. »Wir hängen dreißig Meter über tückischem Eis in der Luft. Ich möchte nicht langsamer werden. Ich will das verdammte Seil vom Leib haben!«
»Mach langsamer! Du bist zu schnell! Wenn du dir ein Bein oder einen Arm brichst, ziehen dich die Hunde an dieser Seite der Wand so schnell hoch, wie sie wollen, nicht so, wie du es willst.«
Die Männer seilten sich nun etwas langsamer ab. Der Schnee kräuselte sich in horizontalen Wirbeln vor der Eiswand. Ihre Spikes gruben sich tief ins Eis, wenn sie rückwärts tiefer nach unten gingen. An dem elastischen Material, das in ihre Kaltwetterhosen eingenäht war, waren in Unterschenkelhöhe Leuchtstäbe befestigt. Sie wollten das Risiko, die Helmleuchten einzuschalten, nicht schon jetzt eingehen, denn der Batterievorrat der Außenstation Vier war arg geschrumpft, und es bestand keine Aussicht, ihn zu ergänzen.
Crusow dachte über das Holzbrikett in seinem Tornister und darüber nach, dass es so verdammt dunkel war. Sie würden ihn wahrscheinlich durchaus brauchen, um etwas zu sehen. Er bemühte sich, geistig bei Kleinigkeiten dieser Art zu verweilen, doch das Thema, mit dem sein Hirn sich beschäftigte, waren die Toten unter ihnen. Im Kopf zählte er sie durch. Seiner Meinung nach mussten es zehn sein, wenn nicht gar fünfzehn. Die meisten waren übergewichtig gewesen – zwei hatten fast drei Zentner erreicht. Fett war echte Energie. Wenn man es richtig verarbeitete und ihm die richtigen chemischen Komponenten hinzufügte, konnte man die gespeicherten Nahrungskalorien in brennbaren Flüssigtreibstoff umwandeln. Crusow fragte sich, wie die Toten jetzt wohl aussahen und was sie vielleicht …
»Pass auf, wohin du schwingst!«, hörte er Bret laut heulen. Crusow war während des kurzen Tagtraums über die Toten gegen ihn geprallt. Konzentriere dich, Crusow, schalt er sich insgeheim.
Sie ließen sich gut dreißig Meter hinab. Keiner der Männer wusste jedoch genau, wie tief die Spalte wirklich war. Sie wussten nur, dass die Seile länger waren als die Spalte tief. Zumindest hatte Franky dies im letzten Frühjahr erzählt, als er sich an der anderen Seite der Außenstation in sie hinabgelassen hatte. Die andere Wand war nämlich höher.
Nun näherten sich Crusow und Bret Frankys letzter Ruhestätte am Spaltenboden. Crusow erinnerte sich an die damalige Nacht. Ein Forscher – Crusow glaubte, dass er Charles geheißen hatte – war im
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