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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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umgedreht und etwas gesagt. Zuerst dachte ich, sie hätte mit mir gesprochen. Aber dann kapierte ich es: Der Adressat ihrer Äußerung saß direkt neben ihr auf dem Beifahrersitz.
    Ich setzte mich auf die Rückbank und lehnte mich nach vorne, so nah wie möglich zu ihrem Ohr.
    Margot! , schrie ich. Was auch immer passiert, halt jetzt nicht mehr an. Lass niemanden einsteigen, okay? Niemanden, ganz gleich, was passiert. Kannst du mich hören, Margot?
    Sie hörte mich nicht. Meine Flügel pulsierten. Ich schluchzte auf vor Erleichterung. Ja , dachte ich. Gebt mir Anweisungen. Gebt mir eine instinktive Idee. Gebt mir irgendeinen Hinweis darauf, was jetzt hier passiert. Und mit einem Mal hörten sie auf zu pulsieren. Panisch sah ich mich um.
    Rechts neben mir saß Grogor.
    Â»Na, alles klar?«, sagte er. Er war jetzt deutlich jünger, Ende dreißig. Kam daher wie ein gutaussehender junger Anwalt oder Geschäftsmann. Glatt rasiert, dunkle Haut. Neuer schwarzer Anzug. Immer auf der Höhe der Zeit. Kampfbereit wandte ich mich ihm zu.
    Â»Raus hier«, sagte ich.
    Â»Tststs«, machte er. »Also, also. Ich wollte doch nur mal vorbeischauen und sehen, wie es dir geht. Habe gehört, dass du eine kleine Auseinandersetzung mit Ram und Co. hattest.« Er runzelte die Stirn. »Fand ich gar nicht gut. Ich versichere dir, die drei wurden angemessen bestraft.«
    Da vernahm ich eine glasklare Botschaft in meinen Flügeln: Er ist hier, um dich abzulenken.
    Ich ignorierte ihn und blickte aus dem Fenster. Verzweifelt verglich ich die Bilder aus der Vision mit den Eindrücken aus dem Hier und Jetzt.
    Â»Ich möchte dir noch ein Angebot machen«, fuhr er fort. »Ich finde, du solltest es dir wenigstens anhören.«
    Ich wandte mich zur Seite und ließ den Blick über die Straße schweifen. Da entdeckte ich eine Frau mit einem Kinderwagen und zuckte zusammen. Aber dann sprang die Ampel um, und wir bogen ab. Konnte es sein, dass Nans Vision fehlerhaft war?
    Â»Du weißt, dass du in die Hölle kommen wirst«, konstatierte Grogor. »Aber weißt du auch, dass dort nicht nur drei Dämonen sein werden, die dich nicht mögen? Es werden Millionen sein.«
    Er streckte die Hand aus und tauchte den Finger eine Sekunde lang in meinen Flügel. Für die Dauer dieser einen schrecklichen Sekunde bekam ich einen Einblick in die Hölle. Da war kein Feuer und kein Schwefel. Nur quälende, greifbare Bitterkeit. Ein dunkler Raum ohne Teppich, Tür oder Fenster. Einfach nur ein geschlossener Raum ohne Licht. Und dann, wie ein Suchscheinwerfer, ein rotes Licht, in dem verschiedene Objekte sichtbar wurden: ein junger Mann, der von einem Haufen Schattenfiguren zerfetzt wird. Ich sah, wie sie ihn in aller Seelenruhe und ohne sich um seine Schreie zu scheren wieder zusammenflickten, als wäre er eine Stoffpuppe. Ich sah andere Räume, in denen die Menschen durch dreidimensionale Projektionen sowohl ihres bisherigen Lebens als auch dessen Verlängerung liefen und laut schrien, wenn sie sahen, wie sie die Klinge versenkten, die nicht mehr zurückgezogen werden konnte. Männer, die versuchten, sämtliche Bombensplitter aufzufangen, die nach der Detonation durch den Raum rasten wie in Zeitlupe zerbrechendes Glas. Irgendwie wusste ich, dass diese virtuellen Projektionen in Endlosschleife liefen.
    Ich sah Dinge, die ich gar nicht beschreiben kann. Auf einmal war es, als erhöbe ich mich aus jenem Raum ohne Ausgang, und dann sah ich riesengroße schwarze Gebäude voller Räume wie den, den ich gerade gesehen hatte. Aus ihnen drangen Schreie … Und ich sah mich selbst, wie ich vor dem Eingang dieses Gebäudes stand. Genau wie damals, als ich nach St.Anthonys kam, klopfte ich an. Alle Köpfe drehten sich nach mir um. Sie kamen.
    Â»Fass mich nicht an«, zischte ich ihm zu. Er saugte an seinem Finger, der von meinen Flügeln verbrannt war. Er warf mir einen Blick zu.
    Â»Das war nur ein kleiner Vorgeschmack«, sagte er. »Und jetzt stell dir das mal für immer und ewig vor, Ruth. Aber du hast Glück – es gibt eine Alternative.«
    Ich zögerte. »Und die wäre?«
    Verwirrt sah er mich an. »Ruth … Weißt du denn nicht, wer ich bin?«
    Leeren Blickes starrte ich ihn an.
    Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Hör zu«, sagte er. »Wenn du jetzt mit mir kommst, werde ich dafür sorgen, dass die Millionen

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