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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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schwarzem Rauch über mir auf wie eine Flutwelle. Als die Lichtkugel mich erreichte und direkt über mir schwebte, erkannte ich, dass der Rauch gar kein Rauch war, sondern hunderte von kohlschwarzen Händen, die nach mir langten. »Nan!«, schrie ich. Meine Flügel pulsierten. Die Flutwelle brach mit der Kraft einer Lawine über mich herein.
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich am Straßenrand und konnte mich nicht bewegen. Ich hielt nach Nan Ausschau. Mitten auf der Straße fand ein Krieg statt. Hunderte von Dämonen griffen mit riesigen Kugeln, glühenden Felsbrocken und brennenden Pfeilen die Erzengel an, die ich in der Wüste gesehen hatte. Die Engel wehrten sich mit Schwertern. Der eine oder andere Erzengel ging zu Boden und verschwand. Sterben die? Wie kann das sein?
    Ich hörte, dass sich hinter mir jemand näherte. Ich versuchte aufzustehen. »Nan!«, rief ich, aber im selben Augenblick wusste ich, dass es nicht Nan war. Es war Grogor.
    Die Schritte kamen neben meinen Ohren zu einem Halt. Ich verrenkte den Kopf und sah nach oben. Doch da waren keine zwei Beine aus Rauch, kein Gesicht mit einer Schusswunde als Mund, sondern eine menschliche Gestalt. Ein hochgewachsener, an ein Stilett erinnernder Mann im dunklen Anzug. Er trat mir leicht gegen die Beine, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich unbeweglich war. Dann hockte er sich direkt neben meinen Kopf.
    Â»Wieso schließt du dich nicht einfach dem besseren Team an?«, fragte er.
    Â»Wieso wirst du nicht einfach Priester?«, entgegnete ich. Er grinste.
    Â»Willst du wirklich so enden?« Er blickte zu einem der Erzengel hinüber, in dessen Brust eine Feuerkugel gelandet war. Gleichermaßen fasziniert und entsetzt sah ich dabei zu, wie er zu Boden ging und mit einer gleißenden Explosion verschwand.
    Â»Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ihr immer bloß dumm rumsteht und dabei zuseht, wie die Menschen Mist bauen«, lästerte er. »Aber ich glaube, ich habe dich durchschaut, Ruth. Du würdest doch viel lieber etwas ändern, verbessern. Und warum nicht?«
    Auf einmal spürte ich, wie meine Flügel in mich hineinpulsierten. Sie flossen in mein Inneres. Und in diesem Fluss lag eine Nachricht, eine Stimme, die mir sagte: Steh auf.
    Ich hatte mich gerade aufgerappelt, als der Boden unter mir anfing zu beben. Er sandte blutrotes Licht aus. Es fühlte sich an, als sei eine unterirdische Bombe explodiert. Ich sah hoch, wo die Erzengel die Dämonen umzingelt hatten, die Schwerter in einer Einheit himmelwärts gerichtet. Und dann stürzte ein Feuersturm aus den Wolken, der sämtliche Dämonen in eine dichte Staubwolke verwandelte. Als ich das nächste Mal nach ihm sah, war auch Grogor weg.
    Durch das Feuer hindurch rannte Nan auf mich zu. Sie ergriff meine Hand und half mir auf die Beine. »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    Â»Ich dachte, die könnten uns nicht verletzen.«
    Sie sah mich eindringlich an. »Natürlich können sie uns verletzen, Ruth. Warum müssten wir uns sonst wohl verteidigen?«
    Â»Aber du hast doch gesagt, ich hätte nichts zu befürchten.«
    Sie klopfte mir den Staub vom Kleid. »Was hat Grogor dir gesagt?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich wollte es nicht wiederholen und damit bestätigen, dass sie recht hatte. Nan zog eine Augenbraue hoch.
    Â»Du kannst es dir nicht leisten, Schuldgefühle, Zweifel oder Angst zu haben – das sind menschliche Gefühle, die dir nur im Weg sind. Du bist ein Engel. Du hast Gott im Rücken und den Himmel vor dir.«
    Â»Ja, das erzählst du mir immer wieder.«
    Ãœber den Hügeln graute der Morgen. Die anderen Engel sahen es und verschwanden in den rosafarbenen Himmel.
    Â»Das Schlimmste ist überstanden«, sagte Nan. »Du musst jetzt Margot finden. Ich besuche euch bald wieder.« Sie wandte sich den Hügeln zu.
    Â»Warte«, sagte ich. Sie drehte sich um.
    Â»Ich habe mich in Toby verliebt«, sagte ich. »Und wenn ich nicht herausfinde, wie ich den Lauf der Dinge ändern kann, werde ich ihn nie wiedersehen. Hilf mir, Nan. Bitte.« Ich flehte sie an. Verzweifelt.
    Â»Tut mir leid, Ruth, aber es ist so, wie ich es dir bereits erklärt habe. Du hattest schon ein Leben, in dem du alles entscheiden konntest. Dieses Leben hat nichts damit zu tun, die gleichen Entscheidungen noch einmal zu treffen. Es geht darum, Margot dabei zu helfen, zu

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