Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
nicht dumm, Matt, und was ich dir sage, stimmt. Sie war da, bei Stefan. Sie wußte Dinge, die nur er wissen kann.
Und sie sah den Ort, an dem er festsitzt.“ „Festsitzt“, warf Bonnie ein. „Das ist es. Es war mit Sicherheit nichts Offenes wie ein Fluß. Aber es war Wasser da. Es reichte mir bis zum Hals.
Pardon, ihm bis zum Hals. Und überall waren Felsen, die mit dickem Moos bedeckt waren. Das Wasser war eiskalt und ruhig. Und es stank.“ „Aber was hast du gesehen?“ fragte Elena eindringlich. „Nichts. Ich war wie blind. Irgendwie wußte ich jedoch, daß ich schon beim kleinsten Lichtstrahl etwas erkennen würde. Aber es ging nicht. Es war total finster wie in einem Grab. „Wie in einem Grab...“ Leichte Schauder überliefen Elena. Sie dachte an die Kirchenruine auf dem Hügel über dem Friedhof. Es gab dort ein Grab. Ein Grab, von dem sie einmal geglaubt hatte, daß es sich unter ihren Händen öffnete. „Aber in einem Grab würde es nicht so naß sein“, gab Meredith zu bedenken. „Nein. Und ich habe keine Ahnung, wo es sein könnte“, sagte Bonnie. „Stefan war nicht ganz bei sich. Er war so schwach und verletzt. Und so durstig.“ Elena öffnete den Mund, um Bonnies Redefluß zu stoppen, aber Matt kam ihr zuvor. „Ich werde euch jetzt mal erzählen, wonach sich das für mich anhört.“ Die drei Mädchen sahen ihn an. Er stand etwas von ihrer Gruppe entfernt wie jemand, der lauschen will. Sie hatten ihn fast vergessen. „Nach einem Brunnen?“, fragte Elena.
„Genau. Für mich kann das nur ein Brunnen sein.“ Elenas Herz klopfte vor Aufregung schneller. „Bonnie?“ „Könnte sein“, erwiderte Bonnie langsam. „Die Größe, die Wände, alles paßt.
Aber ein Brunnen ist offen. Ich hätte die Sterne sehen müssen.“ „Nicht, wenn er abgedeckt ist“, warf Matt ein. „Viele der alten Bauernhöfe in der Gegend haben Brunnen, die nicht mehr benutzt werden. Einige der Bauern decken sie ab, damit die kleinen Kinder nicht reinfallen können. Meine Großeltern zum Beispiel haben das getan.“ Elena konnte ihre Aufregung nicht länger verbergen. „Das könnte es sein. Das muß es sein.
Bonnie, erinnerst du dich? Du hast gesagt, daß es dort immer dunkel ist.“ „Ja. Und es war ein Gefühl, als wäre man irgendwo unter der Erde.“ Bonnie war ebenfalls aufgewühlt, doch Meredith unterbrach mit einer trockenen Frage. „Was glaubst du, wie viele solcher Brunnen gibt's hier in Fell's Church, Matt?“ „Bestimmt Dutzende. Aber abgedeckt? Nicht so viele.
Und wenn ihr sagen wollt, daß Stefan in einen hineingeworfen wurde, kann das nirgendwo geschehen sein, wo es Zeugen geben könnte. Vermutlich eher an einem abgelegenen Ort...“ „Und sein Auto wurde hier an der Straße gefunden“, sagte Elena. „Das alte Francher-Farmhaus“, meinte Matt. Die vier sahen sich an. Das Gehöft war schon seit Menschengedenken heruntergekommen und verlassen. Es stand mitten im Wald, und der Wald hatte es vor fast einem Jahrhundert in Besitz genommen. „Auf geht's“, sagte Matt ohne lange Umschweife. Elena legte ihm die Hand auf den Arm. „Du glaubst uns also...?“ Er sah einen Moment lang fort. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll.“ Er zuckte mit den Achseln. „Aber ich komme mit.“ Sie teilten sich auf und nahmen beide Autos.
Matt fuhr mit Bonnie vor, Meredith und Elena hinterher. Matt folgte einem überwucherten Weg in den Wald, bis dieser völlig im Unterholz verschwand. „Von hier aus müssen wir zu Fuß weiter“, erklärte er. Elena war froh, daß sie daran gedacht hatte, ein Seil mitzunehmen. Sie würden es brauchen, wenn Stefan tatsächlich im Brunnen des Farmhauses steckte. Und wenn nicht... Sie wollte nicht darüber nachdenken. Der Weg durch den Wald war mühsam, besonders in der Dunkelheit.
Das Gestrüpp war dicht, und immer wieder verfingen sich ihre Kleider in toten Ästen. Motten umflatterten sie und strichen mit unsichtbaren Flügeln an den Wangen vorbei. Endlich kamen sie an eine Lichtung. Der Grundriß des alten Hauses war noch zu sehen. Die Steine der Grundmauern wurden jetzt von Unkraut und Gestrüpp zusammengehalten. Der Schornstein stand noch. Löcher gähnten dort, wo einst der Mörtel gewesen war. Es sah aus wie ein Denkmal, das jeden Moment zusammenbrechen konnte. „Der Brunnen muß sich irgendwo dahinten befinden“, sagte Matt. Es war Meredith, die ihn fand und die anderen rief. Sie stellten sich darum herum und betrachteten den flachen, viereckigen Steinblock,
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