Tagebuch Eines Vampirs 03. In Der Dunkelheit
lassen euch nicht allein...!“ rief Alaric. „Raus!“ rief Stefan erneut. „Geht zum Ball. Tut, was ihr könnt! Raus!“ Der Wolf griff wieder an, trotz der blutenden Wunden auf seinem Kopf und seiner Schulter, wo Muskeln und Sehnen offenlagen. Der Tiger schlug zurück. Die Tiergeräusche erreichten einen solchen Lärmpegel, daß Elena es kaum mehr aushalten konnte.
Meredith und die anderen waren weg. Das Licht von Alarics Taschenlampe verglühte in der Dunkelheit. „Stefan!“ schrie sie, als sie sah, daß er sich wieder in den Kampf stürzen wollte.
Wenn er starb, würde sie auch sterben. Und wenn es denn sein mußte, wollte sie bei ihm sein. Die Schwäche verließ sie. Sie stolperte auf ihn zu. Schluchzend umarmte sie ihn fest. Sie fühlte seine Arme um sie, als er sie mit seinem Körper vor dem Lärm und der Gewalt des Kampfes schützen wollte. Aber sie war stur, genauso stur wie er. Sie drehte sich, und dann stellten sie sich gemeinsam der blutigen Szene. Der Wolf war am Boden. Er lag auf dem Rücken. Sein Fell war zu dunkel, um das Blut darauf zu erkennen, doch unter ihm hatte sich bereits eine rote Lache gebildet. Die weiße Katze stand über ihm, ihre riesigen Fänge nur Zentimeter von seiner verwundbaren, schwarzen Kehle entfernt. Aber der Todesbiß kam nicht. Statt dessen hob der Tiger den Kopf und sah Elena und Stefan an.
Mit merkwürdiger Ruhe bemerkte Elena, wie sie auch die kleinsten Einzelheiten seines Aussehens registrierte. Die Schnurrbarthaare waren glatt und schmal, wie silberne Drähte.
Das Fell schneeweiß, von schwachen Mustern durchzogen, glänzend wie unpoliertes Gold. Weiß und Gold, dachte sie und erinnerte sich an die Eule in der Scheune. Und dann überkam sie eine andere Erinnerung... an etwas, das sie gesehen oder gehört hatte. Mit einem mächtigen Pfotenschlag riß die Katze die Taschenlampe aus Stefans Hand. Elena hörte, wie er vor Schmerz aufstöhnte, aber sie konnte in der Dunkelheit nichts mehr erkennen. Wenn es kein Licht gab, war selbst ein Jäger blind. Sie klammerte sich an Stefan und wartete auf den Schmerz des tödlichen Schlags. Plötzlich war ihr schwindlig.
Grauer, wirbelnder Nebel füllte ihren Kopf, und sie konnte sich nicht länger an Stefan festhalten. Sie konnte weder denken noch sprechen. Der Boden schien sich unter ihren Füßen zu öffnen. Schwach erkannte sie, daß telepathische Kräfte riesigen Ausmaßes gegen sie benutzt wurden und ihren Verstand überwältigten. Elena spürte, wie Stefans Körper nachgab, zusammensackte und von ihr wegkippte. Sie konnte nicht länger gegen den Nebel ankämpfen. Sie fiel ins Unendliche und merkte nicht mehr, wie sie am Boden aufschlug.
14. KAPITEL
Weiße Eule... Jagdvogel... Jäger... Tiger. Spielt mit dir wie eine Katze mit einer Maus. Wie eine Katze...eine große Katze... ein Kätzchen. Ein weißes Kätzchen. Der Tod im Haus. Und das Kätzchen. Das Kätzchen, das vor Damon geflohen war. Nicht aus Angst, sondern aus Furcht, entlarvt zu werden. Genauso wie damals, als es auf Margarets Brust gestanden und beim Anblick Elenas hinter der Fensterscheibe wütend miaut hatte.
Elena stöhnte und wäre fast aus der Bewußtlosigkeit erwacht, aber der graue Nebel zog sie wieder hinab, bevor sie die Augen öffnen konnte. Ihre Gedanken verwirrten sich erneut.
Vergiftete Liebe. Stefan, sie haßte dich, bevor sie Elena haßte...
Weiß und Gold... etwas Weißes... etwas Weißes unter dem Baum.
Als sie diesmal darum kämpfte, die Augen offenzuhalten, gelang es ihr. Und noch bevor sie in dem dämmrigen und flackernden Licht etwas erkennen konnte, wußte sie es. Endlich wußte sie es. Die Gestalt in dem langen, weißen Kleid drehte sich von der Kerze weg, die sie anzündete, und Elena sah ein Gesicht, das ihr eigenes hätte sein können. Aber es war leicht verzerrt, zwar bleich und wunderschön, wie das einer Eisstatue, doch irgendwie falsch. Wie die endlosen Reflexionen, die Elena in ihrem Traum in dem Spiegelsaal gesehen hatte. Grausam, hungrig und spöttisch.
„Hallo, Katherine“, flüsterte sie. Katherine lächelte hinterlistig und raubtierhaft. „Aha, du bist gar nicht so dumm, wie ich dachte“, sagte sie. Ihre Stimme war leicht und süß... silbrig, dachte Elena. Wie ihre Wimpern. Auch auf ihrem Kleid schimmerten silberne Lichter, wenn sie sich bewegte. Aber ihr Haar war golden, fast so hellgold wie Elenas eigenes. Ihre Augen glichen denen eines Kätzchens: Sie waren rund und blau wie Edelsteine. Um ihren Hals trug sie
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