Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
einem seltsamen Lächeln. » Es würde viel, viel länger dauern als der Weg durch ein Haupttor.«
» Warum?«, fragte Matt– offenbar stets bereit, Fragen zu stellen, auf die Elena wirklich und wahrhaftig keine Antwort hören wollte.
» Weil dort unten entweder Dschungel ist, wo Blutegel von einem Meter fünfzig Länge, die aus den Bäumen fallen, eure geringste Sorge sein werden, oder Ödland, wo ein Feind euch entdecken kann– und dort ist jeder euer Feind.«
Es folgte eine Pause, währenddessen Elena gründlich nachdachte. Damon wirkte ernst. Offensichtlich übernahm selbst er diese Aufgabe nur ungern– und es gab nicht viele Dinge, die Damon zu schaffen machten. Er kämpfte gern. Mehr noch, wenn es nur Zeitvertreib wäre…
» In Ordnung«, sagte Elena langsam. » Wir werden uns an deinen Plan halten.«
Sofort griffen beide Jungen wieder nach der Türklinke auf der Fahrerseite.
» Hört zu«, sagte Elena, ohne einen der beiden anzusehen. » Ich werde meinen Jaguar in die nächste Stadt fahren. Aber zuerst werde ich einsteigen und richtige Kleider anziehen und vielleicht sogar ein paar Minuten schlafen. Matt wird einen Bach oder irgendetwas finden wollen, wo er sich sauber machen kann. Und dann werde ich in die nächstbeste Stadt fahren, wo wir einen Brunch zu uns nehmen können. Danach…«
» …beginnt das Gezänk von Neuem«, beendete Damon ihren Satz für sie. » Tu das, Darling. Ich werde dich finden, ganz gleich in welchen billigen Imbiss dich dein Weg führt.«
Elena nickte. » Bist du dir sicher, dass du uns finden wirst? Ich versuche nämlich wirklich, meine Aura zu unterdrücken.«
» Hör mal, in dem Fliegenschiss von einer Stadt, den du an dieser Straße finden wirst, wird ein feuerwehrroter Jaguar etwa so auffällig sein wie ein Ufo«, bemerkte Damon.
» Warum kommt er nicht einfach mit…« Matts Stimme verlor sich. Irgendwie, und obwohl das sein schwerwiegendster Vorbehalt gegenüber Damon war, gelang es ihm oft zu vergessen, dass Damon ein Vampir war.
» Also wirst du zuerst in die nächste Stadt gehen und irgendein junges Mädchen auf dem Weg zur Sommerschule finden«, sagte Matt, und seine blauen Augen schienen sich zu verdunkeln. » Und du wirst über es herfallen und es irgendwo hinbringen, wo niemand es schreien hören kann, und dann wirst du seinen Hals entblößen und ihm deine Zähne in die Kehle stoßen.«
Es folgte eine ziemlich lange Pause. Dann sagte Damon mit leicht gekränktem Tonfall: » Das werde ich nicht.«
» Das ist es doch, was ihr tut. Du hast es mit mir gemacht.«
Elena sah die Notwendigkeit zu einem ausgesprochen drastischen Eingriff: mit der Wahrheit. » Matt, Matt, es war nicht Damon, der das getan hat. Es war Shinichi. Das weißt du.« Sie fasste ihm sanft an den Unterarm und versuchte, Matt zu ihr umzudrehen.
Für einige Sekunden weigerte Matt sich, sie anzuschauen. Die Zeit schien sich in die Länge zu ziehen, und Elena begann zu befürchten, dass er für sie unerreichbar war. Aber dann hob er endlich den Kopf, sodass sie in seine Augen blicken konnte.
» In Ordnung«, erwiderte er leise. » Ich werde mitmachen. Aber du weißt, dass er loszieht, um menschliches Blut zu trinken.«
» Von einem willigen Spender!«, rief Damon, der ein sehr gutes Gehör hatte.
Matt explodierte abermals. » Weil du ihn willig machst! Du hypnotisierst deine… Spender…«
» Nein, tue ich nicht.«
» …oder ›beeinflusst ‹ sie oder was auch immer. Wie würde es dir gefallen…«
Hinter Matts Rücken gestikulierte Elena jetzt wild, als scheuche sie einen Schwarm Hühner vor sich her, um Damon ein Zeichen zu geben. Zuerst zog Damon nur eine Augenbraue hoch, aber dann zuckte er elegant mit den Schultern und gehorchte. Seine Umrisse verschwammen, als er die Gestalt einer Krähe annahm und schnell zu einem bloßen Punkt vor der aufgehenden Sonne wurde.
» Meinst du«, sagte Elena leise, » dass du deinen Pflock loswerden könntest? Er wird Damon sonst vollkommen paranoid machen.«
Matt schaute überallhin, nur nicht in ihre Richtung, dann nickte er schließlich. » Ich werde ihn wegwerfen, wenn ich mir einen Bach suche, um mich zu waschen«, erwiderte er, während er grimmig seine schmutzigen Beine betrachtete.
» Wie dem auch sei«, fügte er hinzu, » steig du in den Wagen und versuch, ein wenig zu schlafen. Du siehst so aus, als könntest du es brauchen.«
» Weck mich in ein paar Stunden«, bat Elena– ohne die leiseste Ahnung zu haben, dass sie dies in
Weitere Kostenlose Bücher