Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
als Walzer.«
Aber Bonnie war in Gedanken noch immer bei dem erschreckenden ersten Satz. » Es gibt einen Ballsaal im Freien? «, fragte sie zittrig und hoffte, dass sie sich verhört hatte.
» Das ist richtig, meine Liebe, Ihr könnt ihn durch diese Wand dort sehen.« Die Frau sagte die Wahrheit. Man konnte tatsächlich durch die Wand sehen, weil die Wände alle aus Glas waren, eine hinter der anderen. Und so sah Bonnie, was eine durch Spiegel hervorgerufene Illusion zu sein schien: einen erleuchteten Raum nach dem anderen, jeder voller Leute. Nur der letzte Raum im unteren Stockwerk schien aus etwas Solidem gemacht zu sein. War das der Große Ballsaal?
Aber dann blickte sie durch die gegenüberliegende Wand, auf die die Frau zeigte– und, oh ja, dort war ein Baldachin zu erkennen. Sie erinnerte sich vage, daran vorbeigekommen zu sein. Das andere, woran sie sich erinnerte, war…
» Sie tanzen auf Gras? Auf diesem– riesigen Rasen?«
» Natürlich. Er wurde eigens dafür gemäht und geglättet. Ihr werdet über kein einziges Unkraut auf dem Boden stolpern.– Seid Ihr sicher, dass Ihr Euch wohlfühlt? Ihr seht ziemlich blass aus. Nun«– die Frau lachte– » so blass, wie man bei diesem Licht aussehen kann.«
» Mir geht es gut«, sagte Bonnie benommen. » Mir geht es… einfach gut.«
Nachdem Bonnie sich zusammen mit Meredith umgesehen hatte, trafen sie wieder auf Elena und Damon und erzählten einander, was sie herausgefunden hatten. Damon und Elena wussten jetzt, dass der Boden des Ballsaals im Freien beinahe so hart war wie Stein – alles, was dort vergraben worden war, bevor der Boden mit schweren Walzen geglättet wurde, würde jetzt unter einer Art Betonplatte liegen. Lediglich am äußeren Rand des Platzes bestand die Möglichkeit zu graben.
» Wir hätten einen Wünschelrutengänger mitbringen sollen«, sagte Damon. » Oder jemanden, der ein Pendel oder etwas in der Art benutzt, um die richtige Stelle zu finden.«
» Du hast recht«, erwiderte Meredith, und ihr Tonfall fügte deutlich hinzu: ausnahmsweise. » Warum haben wir es nicht getan?«
» Weil ich keinen kenne«, antwortete Damon mit seinem süßesten, grimmigsten Barrakuda-Lächeln.
Bonnie und Meredith hatten festgestellt, dass der Boden des Ballsaals im Haus aus Stein war– aus sehr schönem weißen Marmor. In dem Raum gab es Dutzende von Blumenarrangements, aber Bonnie hatte (so unauffällig wie möglich) ihre kleine Hand in die Gebinde hineingesteckt und festgestellt, dass es sich lediglich um Schnittblumen in einer mit Wasser gefüllten Vase handelte. Keine Erde, nichts, das den Ausdruck » in Blodwedds Ballsaal begraben« gerechtfertigt hätte.
» Und außerdem, warum sollten Shinichi und Misao den Schlüssel in Blumenwasser verstecken, von dem sie wissen, dass es in wenigen Tagen weggekippt werden würde?«, fragte Bonnie stirnrunzelnd, während Meredith hinzufügte:
» Und in Marmor ein loses Dielenbrett zu finden, dürfte auch ziemlich aussichtslos sein… Aber ich habe nachgeforscht– der Weiße Ballsaal befindet sich schon seit Jahren hier, das heißt, es besteht gar keine Chance, dass der Schlüssel irgendwo unter den Mamorsteinen begraben liegt.«
Elena, die inzwischen ihren dritten Kelch schwarzmagischen Weins trank, sagte: » Okay. Wir werden es wie folgt angehen: Ein Raum nach dem anderen wird auf unserer Liste abgehakt. Wir haben bereits eine Hälfte des Schlüssels– denkt nur daran, wie einfach das war…«
» Vielleicht wollten sie uns damit nur necken«, meinte Damon und zog eine Augenbraue hoch. » Damit wir uns Hoffnungen machen, bevor sie diese hier vollkommen zerstören…«
» Das kann nicht sein«, sagte Elena verzweifelt und funkelte ihn an. » Wir sind so weit gekommen– weiter, als Misao es jemals für möglich gehalten hätte. Wir werden ihn finden. Wir werden ihn finden.«
» In Ordnung«, erwiderte Damon, der plötzlich todernst war. » Und selbst wenn wir so tun müssten, als gehörten wir zum Personal, um dieser Erde draußen mit Spitzhacken zuleibe zu rücken, dann werden wir es tun. Aber lasst uns zuerst durch das ganze Haus gehen. Das hat beim letzten Mal auch funktioniert.«
» Einverstanden«, erwiderte Meredith, die ihn ausnahmsweise einmal direkt und ohne Missbilligung ansah. » Bonnie und ich nehmen die oberen Etagen, und ihr könnt euch die Räume im Erdgeschoss ansehen– vielleicht findet ihr ja etwas in diesem Weißen Walzerballsaal.«
» Alles klar.«
Sie machten sich an die
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