Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
daran erinnern, wie Ihr mich gefunden habt? Wer von uns ist jetzt ein Engel?«
Bei den Worten » wie Ihr mich gefunden habt« schlug Elena die Hände vors Gesicht– als sei sie außerstande, die Erinnerung an diesen Augenblick zu ertragen. Dann umarmte und küsste sie Lady Ulma abermals und eine neue Runde kosmetikzerstörender Umarmungen begann.
» Meister Damon war sogar so freundlich, Lucen zu kaufen«, fuhr Lady Ulma fort, » und Ihr könnt es Euch vielleicht nicht vorstellen, aber«– an dieser Stelle sah sie den stillen bärtigen Juwelier mit Augen voller Tränen an– » ich empfinde für ihn so, wie Ihr für Euren Stefano empfindet.« Dann errötete sie und verbarg das Gesicht in den Händen.
» Ab heute ist Lucen offiziell frei«, sagte Elena und ließ sich auf die Knie fallen, um den Kopf an Lady Ulmas Kissen zu lehnen. » Und Damon überschreibt Ihnen unwiderruflich das Anwesen. Er hat einen Anwalt– einen Advokaten, würden Sie sagen– die ganze Woche lang mit einem Wächter an den Papieren arbeiten lassen. Sie sind jetzt fertig und niemand kann Ihnen jemals wieder etwas anhaben. Sie haben für immer ein Zuhause.«
Mehr Tränen. Mehr Küsse. Sage, der unschuldig pfeifend nach einem Spaziergang mit seinem Hund Saber den Flur entlangging, kam an Lady Ulmas Zimmer vorbei und wurde hineingezogen. » Dich werden wir auch alle vermissen!«, weinte Elena. » Oh, ich danke dir!«
Vor ihrem Aufbruch machte Damon alle Versprechen Elenas wahr und zahlte außerdem dem Personal einen großen Bonus aus. Die Luft war wie erfüllt von glitzerndem Konfetti, Rosenblättern, Musik und Abschiedsworten, während sich Damon, Elena, Bonnie und Meredith zur Party von Lady Blodwedd aufmachten– ein Abschied für immer.
» Wenn ich recht darüber nachdenke, warum hat Damon eigentlich nicht auch uns befreit?«, fragte Bonnie Meredith, als sie in Sänften zum Herrenhaus der Blodwedds getragen wurden. » Ich kann verstehen, dass wir Sklavinnen sein mussten, um in diese Welt hineinzugelangen, aber jetzt sind wir drin. Warum nicht ehrliche Mädchen aus uns machen?«
» Bonnie, wir sind bereits ehrliche Mädchen«, rief Meredith ihr ins Gedächtnis. » Und ich denke, der Punkt ist, dass wir überhaupt nie richtige Sklavinnen waren.«
» Nun, ich habe auch gemeint: Warum befreit er uns nicht, sodass alle wissen, dass wir ehrliche Mädchen sind, Meredith, und das weißt du ganz genau.«
» Weil man niemanden befreien kann, der bereits frei ist, deshalb.«
» Aber er hätte die Zeremonie vollziehen können«, beharrte Bonnie. » Oder es ist wirklich so schwer, hier einen Sklaven zu befreien?«
» Keine Ahnung«, antwortete Meredith, die unter Bonnies unermüdlicher Inquisition endlich nachgab. » Aber ich werde dir sagen, warum ich denke, dass er es nicht tut. Ich denke, es liegt daran, dass er auf diese Weise für uns verantwortlich ist. Ich meine, es ist nicht so, dass Sklaven nicht bestraft werden können– das haben wir an Elenas Beispiel gesehen.« Meredith hielt inne, während sie beide bei der Erinnerung schauderten. » Aber unterm Strich ist es der Besitzer der Sklaven, der sein Leben dabei verlieren kann. Erinnere dich, sie wollten Damon für das, was Elena getan hat, pfählen.«
» Also tut er es für uns? Um uns zu beschützen?«
» Ich weiß es nicht. Ich… nehme es an«, erwiderte Meredith langsam.
» Dann– ich schätze, wir haben uns in der Vergangenheit in Bezug auf ihn geirrt?« Bonnie sagte großzügig » wir« statt » du«. Aber es war schließlich Meredith, die von Elenas Freunden immer am wenigsten empfänglich gewesen war für Damons Charme.
» Ich… nehme es an«, sagte Meredith erneut. » Obwohl wir dabei nicht vergessen dürfen, dass es Damon war, der bis vor Kurzem den Kitsune-Zwillingen geholfen hat, Stefano überhaupt hierher zu bringen! Und Stefano hatte definitiv nichts getan, um das zu verdienen.«
» Nun, das stimmt natürlich auch wieder«, meinte Bonnie und klang erleichtert– dass sie sich doch nicht allzu sehr geirrt hatten– und gleichzeitig seltsam sehnsüchtig.
» Stefano wollte niemals etwas anderes als Ruhe und Frieden«, fuhr Meredith fort, als bewege sie sich jetzt auf festerem Boden.
» Und Elena«, fügte Bonnie automatisch hinzu.
» Ja, ja– und Elena. Und alles, was Elena wollte, war Stefano! Ich meine– alles, was Elena will …« Meredith’ Stimme verlor sich. Der Satz schien nicht mehr richtig in die Gegenwart zu passen. Sie versuchte es noch einmal. »
Weitere Kostenlose Bücher