Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
veränderte sich nicht mehr.
Ich hätte das Reden übernehmen sollen, dachte Elena. Ich hätte nicht gleich beim ersten Wort den Krieg erklärt– aber jetzt ist es zu spät. Sie versuchte, die männlichen Stimmen auszublenden, und betrachtete die heruntergekommenen Autos auf dem Platz; hinter jeder Windschutzscheibe war ein staubiges kleines Schild angebracht: ZEHN PROZENT PREISNACHLASS ZU WEIHNACHTEN! GÜNSTIGE KREDITBEDINGUNGEN! SAUBER! SONDERANGEBOT AUS DEM BESITZ EINER GROSSMUTTER! OHNE ANZAHLUNG! MACHEN SIE EINE PROBEFAHRT! Sie hatte Angst, dass sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen würde.
» Es gibt keinen Bedarf hier für einen solchen Wagen«, sagte der Autohändler gerade ausdruckslos. » Wer würde ihn kaufen?«
» Sie sind verrückt! Wenn Sie diesen Wagen hier stehen haben, werden die Kunden in Scharen herkommen. Das ist– das ist die beste Werbung! Besser als die verrostete rote Ente da drüben.«
» Keine Ente. Das ist ein Käfer.«
» Wer kann das noch erkennen, wo das Ding halb in sich zusammengefallen ist!«
Der Händler stolzierte würdevoll zu dem Jaguar hinüber, um ihn sich anzusehen. » Nicht brandneu. Er ist zu viele Meilen gelaufen.«
» Er wurde erst vor zwei Wochen gekauft.«
» Na und? In ein paar Wochen wird Jaguar schon Reklame für die Wagen des nächsten Jahres machen.« Der Besitzer deutete mit der Hand auf Elenas riesige Rose von einem Auto. » Das Ding ist also… obsolet«
» Obsolet!?«
» Ja. So ein großer Wagen wie dieser, ein Benzinfresser…«
» Er ist energieeffizienter als ein Hybrid…!«
» Denkst du, die Leute wüssten das? Sie sehen ihn…«
» Hören Sie, ich könnte diesen Wagen woanders hinbringen…«
» Dann mach das. Auf meinem Gelände, hier und jetzt, ist er kaum einen Wagen im Austausch wert!«
» Zwei Wagen.«
Die neue Stimme erklang direkt hinter Matt und Elena, und die Augen des Autohändlers weiteten sich, als habe er gerade einen Geist gesehen.
Elena drehte sich um und sah in Damons unergründliche schwarze Augen. Er hatte sich die Ray-Ban in seinen T-Shirt-Ausschnitt geklemmt und stand, die Hände hinterm Rücken verschränkt, vor ihnen. Er musterte den Autohändler mit einem harten Blick.
Einige Sekunden verstrichen, und dann…
» Der… silberne Mondeo hinten rechts in der Ecke. Unter… der Markise«, sagte der Autohändler langsam und mit benommenem Gesichtsausdruck– als Antwort auf eine Frage, die überhaupt nicht laut gestellt worden war. » Ich werde… Sie dorthin begleiten«, fügte er mit einer Stimme hinzu, die zu seinem Gesichtsausdruck passte.
» Nehmen Sie die Schlüssel mit. Lassen Sie den Jungen eine Probefahrt damit machen«, befahl Damon, und der kleine Mann fummelte an einem Schlüsselring an seinem Gürtel herum, bevor er langsam und ins Leere starrend davonging.
Elena drehte sich zu Damon um. » Ich darf raten. Du hast ihn gefragt, welcher der beste von seinen Wagen ist.«
» Ersetze ›der beste ‹ durch ›der annehmbarste‹ und du kommst der Sache näher«, erwiderte Damon. Er schenkte ihr für ein Zehntel einer Sekunde ein strahlendes Lächeln, dann schaltete er es wieder ab.
» Aber Damon, warum zwei Autos? Ich weiß, es ist ein gerechterer Handel und alles, aber was machen wir mit dem zweiten Wagen?«
» Kolonne fahren«, sagte Damon.
» Oh nein.« Aber selbst Elena konnte die Vorteile erkennen– zumindest nachdem sie bereits so weit waren, ein Gipfeltreffen abhalten zu müssen, um zu entscheiden, wer wann fuhr. Sie seufzte. » Hm– wenn Matt einverstanden ist…«
» Matt wird einverstanden sein«, unterbrach Damon sie und sah dabei ganz kurz– ganz kurz– so unschuldig wie ein Engel aus.
» Was hast du da hinterm Rücken?«, fragte Elena, die beschlossen hatte, nicht der Frage nachzugehen, was Damon mit Matt zu tun beabsichtigte.
Damon lächelte wieder, aber diesmal war es ein seltsames Lächeln, nur ein Zucken seiner Lippen in einem Mundwinkel. Seine Augen sagten, dass es nichts Besonderes sei. Aber seine rechte Hand kam hervor, und darin hielt er die schönste Rose, die Elena sich nur vorstellen konnte.
Die Rose war von dem dunkelsten Rot, das Elena je bei einer Blume gesehen hatte, und doch ohne den geringsten Anflug von Purpur darin– es war einfach ein tiefer Burgunderton, und die Rose war voll erblüht. Sie sah aus, als würde sie sich wunderbar samtig anfühlen, und ihr leuchtend grüner Stiel, der nur hier und da einige zarte Blätter aufwies, war fast einen halben Meter
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