Tagebuch Eines Vampirs 06. Seelen Der Finsternis
lang und gerade wie ein Lineal.
Elena verschränkte resolut ihre Hände hinterm Rücken. Damon war nicht der sentimentale Typ. Die Rose hatte wahrscheinlich etwas mit ihrer Reise zu tun.
» Gefällt sie dir nicht?«, fragte Damon. Elena bildete es sich vielleicht nur ein, aber es klang so, als sei er enttäuscht.
» Natürlich gefällt sie mir. Wofür ist sie?«
Damon lehnte sich zurück. » Sie ist für dich, Prinzessin«, sagte er und wirkte gekränkt. » Keine Sorge; ich habe sie nicht gestohlen.«
Nein– natürlich hatte er sie nicht gestohlen. Elena wusste genau, wie er an die Rose herangekommen war… Aber sie war so hübsch …
Als sie noch immer keine Anstalten machte, die Rose entgegenzunehmen, hob Damon sie hoch und liebkoste mit den kühlen Blütenblättern, die sich seidig anfühlten, Elenas Wange.
Ein Schauder überlief sie. » Lass das, Damon«, murmelte sie, aber sie schien außerstande zu sein zurückzutreten.
Er ließ es nicht. Er benutzte die kühlen, leise raschelnden Blütenblätter, um die Umrisse der anderen Seite ihres Gesichtes nachzuzeichnen. Elena holte automatisch tief Luft, aber was sie roch, erinnerte ganz und gar nicht an eine Blume. Es war der Geruch von sehr, sehr dunklem Wein, von etwas Uraltem und Duftendem, das sie einmal sofort trunken gemacht hatte. Trunken von Schwarzer Magie und ihrer eigenen berauschenden Erregung… einfach darüber, mit Damon zusammen zu sein.
Aber das war nicht mein wirkliches Ich, protestierte eine leise Stimme in ihrem Kopf. Ich liebe Stefano. Damon… ich will… ich will…
» Willst du wissen, warum ich diese spezielle Rose ausgewählt habe?«, fragte Damon leise, und seine Stimme durchmischte sich mit ihren Erinnerungen. » Ich habe sie wegen ihres Namens genommen. Es ist die Rose ›Black Magic ‹ .«
» Ja«, sagte Elena schlicht. Sie hatte es gewusst, bevor er es ausgesprochen hatte. Es war der einzige Name, der passte. Jetzt gab Damon ihr einen Rosenkuss, indem er die Blüte im Kreis auf ihrer Wange drehte und dann sanften Druck ausübte. Die festeren Blütenblätter in der Mitte pressten sich auf ihre Haut, während die äußeren Blätter sie lediglich streiften.
Elena fühlte sich eindeutig benommen. Der Tag war bereits warm und feucht; wie konnte die Rose sich so kühl anfühlen? Jetzt hatten sich die äußersten Blütenblätter bewegt, um ihre Lippen nachzuzeichnen, und sie wollte Nein sagen, aber irgendwie kam das Wort nicht heraus.
Es war, als sei sie in der Zeit zurückgereist, zurück zu jenen Tagen, da Damon ihr das erste Mal erschienen war, da er sie das erste Mal für sich selbst beansprucht hatte. Als sie ihm beinahe erlaubt hätte, sie zu küssen, bevor sie auch nur seinen Namen kannte…
Seine Absichten hatten sich seither nicht verändert. Vage erinnerte Elena sich daran, etwas in dieser Art schon einmal gedacht zu haben. Damon veränderte andere Leute, während er selbst unverändert blieb.
Aber ich habe mich verändert, dachte Elena, und plötzlich fühlte sie sich, als hätte sie Treibsand unter ihren Füßen. Ich habe mich seither so sehr verändert. Genug, um Dinge in Damon zu sehen, von denen ich mir nie vorgestellt hätte, dass sie in ihm sein könnten. Nicht nur die wilden und wütenden, dunklen Seiten, sondern auch die sanften Seiten. Die Ehrenhaftigkeit und den Anstand, die wie Goldadern innerhalb dieses Steinbrockens in seinem Geist gefangen sind.
Ich muss ihm helfen, dachte Elena. Irgendwie muss ich ihm helfen– und dem kleinen Jungen, der an den Fels gekettet ist.
Diese Gedanken waren ihr langsam durch den Kopf gezogen, während ihr Geist von ihrem Körper getrennt zu sein schien. Tatsächlich war sie so damit beschäftigt gewesen, dass sie irgendwie das Gefühl für ihren Körper verloren hatte, und erst jetzt wurde ihr bewusst, wie viel näher Damon ihr gekommen war. Sie lehnte mit dem Rücken an einem der traurigen, abgewrackten Autos. Und Damon sprach unbefangen, aber mit einem ernsten Unterton in der Stimme.
» Also, eine Rose für einen Kuss?«, fragte er. » Sie heißt Schwarze Magie, aber ich habe sie tatsächlich ehrlich erworben. Der Name des Mädchens war… er war…«
Damon brach ab, und einen Moment lang blitzte ein Ausdruck tiefster Verwirrung auf seinem Gesicht auf. Dann lächelte er, aber es war das Lächeln eines Kriegers, das strahlende Lächeln, das er ein- und ausschaltete, beinahe bevor man sich sicher war, es gesehen zu haben. Elena witterte Ärger. Sicher, Damon erinnerte
Weitere Kostenlose Bücher