Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
die richtige Entscheidung. Aber trotzdem fühle ich mich, als
würde ich einen langsamen Tod sterben. Wie soll ich auch nur für kurze
Zeit ohne Stefano leben?
Ich kann nur versuchen, stark zu sein. Wenn ich einfach weitermache,
werde ich diese Zeit überstehen. Und am Ende wird alles wunderbar
werden. So muss es sein.
Kapitel Elf
»Kaffee, meine Liebe?«, fragte Professor Campbell. James, rief Elena sich
ins Gedächtnis und nickte. Sofort sprang er auf und wuselte zu der winzi-
gen Kaffeemaschine hinüber, die auf einem schwankenden Stapel Papiere
stand. Er brachte ihr eine Tasse mit Sahne und Zucker, ließ sich glücklich
auf seinem Sessel nieder und blickte sie über seinen überfüllten Schreibt-
isch hinweg voller unschuldiger Freude an. »Ich glaube, ich habe auch
Kekse«, bot er an. »Nicht selbst gemacht, aber trotzdem lecker. Nein?«
Elena schüttelte höflich den Kopf und nippte an ihrem Kaffee. »Er ist
sehr gut, danke«, bemerkte sie und lächelte.
Es waren einige Tage vergangen, seit sie Stefano und Damon ihre
Auszeit angekündigt hatte. Seitdem tat sie ihr Bestes, um Normalität in
ihr Leben zu bringen – natürlich nicht ohne sich gründlich bei Bonnie
und Meredith ausgeheult zu haben. Sie besuchte ihre Kurse, aß mit ihren
Freunden zu Mittag und setzte eine geschäftige Miene auf. Dazu gehörte
auch ihr Besuch von James’ Sprechstunde, um mehr über ihre Eltern zu
erfahren. Sie konnten zwar nicht da sein, um sie zu trösten, aber es war
schon ein Trost, über sie zu sprechen.
»Mein Gott!«, rief James aus. »Sie haben Elizabeth’ Gesicht, und wenn
Sie lächeln, kommt Thomas’ Grübchen zum Vorschein. Genau wie bei ihm
– nur auf einer Seite. Es hat ihm das gewisse Etwas verliehen.«
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Elena fragte sich, ob sie sich bei James für die Komplimente bedanken
sollte. Aber die Komplimente galten eigentlich ihren Eltern, und es kam
ihr ein wenig anmaßend vor, sich dafür dankbar zu zeigen.
»Es freut mich sehr, dass Sie sagen, ich würde wie meine Eltern ausse-
hen«, sagte sie stattdessen. »Ich erinnere mich daran, dass ich sie sehr el-
egant fand, als ich klein war.« Sie zuckte die Achseln. »Vermutlich finden
alle kleinen Kinder ihre Eltern schön.«
»Aber Ihre Mutter war definitiv sehr schön«, erwiderte James. »Allerd-
ings sind Sie ihnen nicht nur äußerlich ähnlich. Ihre Stimme klingt wie
die von Elizabeth, und die Bemerkungen, die Sie in dieser Woche im Sem-
inar gemacht haben, hätten auch von Ihrem Vater stammen können. Er
war sehr scharfsinnig.«
Daraufhin vertiefte er sich in eine seiner Schreibtischschubladen, und
nachdem er eine Weile darin herumgewühlt hatte, zog er eine Dose But-
terkekse heraus. »Sind Sie sicher, dass Sie keinen möchten? Nun ja.« Er
nahm selbst einen Keks und biss hinein. »Tja, wie ich schon sagte, Eliza-
beth war extrem hübsch. So würde ich Tom zwar nicht unbedingt bes-
chreiben, aber er besaß Charme. Vielleicht hat er es dadurch geschafft, El-
izabeth’ Herz zu gewinnen.«
»Oh.« Elena rührte geistesabwesend in ihrem Kaffee. »Dann ist sie also
noch mit anderen ausgegangen?« Es war lächerlich, aber sie hatte sich ir-
gendwie vorgestellt, dass ihre Eltern schon immer zusammen gewesen
waren.
James lachte. »Sie war eine ziemliche Herzensbrecherin. Und ich ver-
mute, dass das auch für Sie gilt, meine Liebe.«
Elena dachte unglücklich an Stefanos sanfte grüne Augen und seinen
entsetzten Blick. Und an Matt, mit dem sie in der Highschool ausgegan-
gen war und der sie im Stillen immer noch liebte. Zumindest hatte er sich
seitdem nicht mehr verliebt oder sich auch nur für irgendeine andere in-
teressiert. Herzensbrecherin, yeah.
James beobachtete sie mit leuchtenden, fragenden Augen. »Dann sind
Sie also keine glückliche Herzensbrecherin?«, fragte er leise. Elena sah
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ihn überrascht an und er stellte seine Kaffeetasse mit einem sanften Klir-
ren ab. Dann richtete er sich auf. »Elizabeth Morrow«, begann er mit en-
ergischer Dozentenstimme, »war im ersten Semester, als ich sie kennen-
lernte. Sie war ständig in Action und hat vor allem umwerfende Bühnen-
bilder und Kostüme für den Fachbereich Theater entworfen. Ihr Vater
und ich waren damals beide im zweiten Jahr – wir waren in derselben
Studentenverbindung und enge Freunde –, und er konnte gar nicht mehr
aufhören, von diesem bezaubernden Mädchen zu schwärmen. Sobald ich
sie kennenlernte, wurde auch ich in
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