Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
Elena, auf dem Campus sind bereits jede Menge Leute
verschwunden.«
84/308
Er hatte Angst gehabt, dass ihr etwas Schreckliches zugestoßen war.
Die Angst stand immer noch in seinen Augen. Sie tastete nach seiner
Hand, um ihn zu beruhigen. Die Tatsache, dass sie ihre Macht verloren
hatte, machte Stefano schwer zu schaffen, das wusste sie. Ihre Sterblich-
keit ließ sie zerbrechlich erscheinen, und er hatte Angst, sie zu verlieren.
Das hätte sie bedenken müssen, hätte ihm eine ausführlichere Nachricht
als die knappe SMS schicken müssen, in der nur stand, dass sie sich etwas
zu essen holte und bald zurück sein würde.
Bevor sie ihn berühren konnte, wandte Stefano sich an Damon. »Was
ist hier los?«, fragte er seinen Bruder, und seine Stimme klang völlig frus-
triert. »Ist das der Grund, warum du uns ans College gefolgt bist? Um
Elena vereinnahmen zu können?«
Der gekränkte Ausdruck, der über Damons Gesicht glitt, war so schnell
wieder verschwunden, dass Elena sich nicht ganz sicher war, ob sie ihn
wirklich gesehen hatte. Jetzt spiegelte sich nur Geringschätzung in seinen
Zügen wider und Elena verkrampfte. Der Friede zwischen den Brüdern
war so zerbrechlich – das wusste sie, und doch hatte sie zugelassen, dass
Damon mit ihr flirtete. Sie war so dumm gewesen.
» Irgendjemand sollte sie beschützen, Stefano«, sagte Damon gedehnt.
»Du bist wieder mal zu beschäftigt damit, Mensch zu spielen, was? Lern-
gruppe .« Er zog verächtlich eine Augenbraue hoch. »Es überrascht mich,
dass dir überhaupt aufgefallen ist, dass auf dem Campus etwas nicht stim-
mt. Wäre es dir lieber, Elena allein und in Gefahr zu wissen als in meiner
Gesellschaft?«
»Willst du etwa behaupten, du hattest keinen Hintergedanken dabei?«,
fragte Stefano mit verbissener Miene.
Damon wedelte geringschätzig mit der Hand. »Du weißt, was ich für
Elena empfinde. Elena weiß, was ich für sie empfinde. Selbst der
sportverrückte Brad weiß, wie die Dinge zwischen uns stehen. Aber das
Problem bin nicht ich, kleiner Bruder – das Problem liegt bei dir und
deiner Eifersucht. Das Problem ist, dass du ein ›gewöhnlicher Mensch‹
sein willst« – Damon schrieb mit seinen Fingern Anführungszeichen in
85/308
die Luft –, »und dass du trotzdem mit Elena zusammen sein willst, die
man kaum als gewöhnlich bezeichnen kann. Ich habe nichts falsch
gemacht. Elena wäre nicht mit mir gekommen, wenn sie es nicht gewollt
hätte.«
Elena zuckte erneut zusammen. Würde es immer so weitergehen?
Würde jeder geringfügige Fehler ihrerseits dazu führen, dass Stefano und
Damon einander an die Gurgel gingen? »Stefano … Damon«, flehte sie,
aber die beiden beachteten sie gar nicht.
Sie funkelten einander an. Stefano trat näher und ballte die Fäuste, Da-
mon biss die Zähne zusammen – stumme, gegenseitige Aufforderungen
zu verschwinden. Zum ersten Mal sah Elena die Ähnlichkeit zwischen
ihnen.
»Ich kann das nicht«, erklärte sie, so leise, dass sie ihre Stimme selbst
kaum hören konnte. Dennoch wandten die beiden Salvatore-Brüder mit
unmenschlicher Schnelligkeit die Köpfe zu ihr herum.
»Ich kann das nicht«, wiederholte sie, diesmal lauter und fester. »Ich
kann nicht Catarina sein.«
Damon runzelte die Stirn. » Catarina ? Glaub mir, Prinzessin, niemand
hier will, dass du Catarina bist.«
Stefanos Miene wurde etwas weicher. »Elena, Liebling …«
Elena unterbrach ihn. »Hört mir zu.« Sie wischte sich über die Augen.
»Ich bin wie auf Eiern gegangen und habe versucht zu verhindern, dass
diese – diese Sache zwischen uns dreien uns zerreißt. Wenn all das, was
passiert ist, etwas Gutes hatte, dann, dass ihr zueinandergefunden habt,
dass ihr wieder angefangen habt, Brüder zu sein. Ich kann nicht …« Sie
holte tief Luft und versuchte, mit vernünftiger, sachlicher Stimme weit-
erzusprechen. »Ich denke, wir sollten uns eine Pause gönnen«, sagte sie
entschieden. »Stefano, ich liebe dich so sehr. Du bist mein Seelenge-
fährte, du bist der Eine für mich. Das weißt du.« In ihrem Blick lag ein
stummes Flehen um Verständnis.
Dann sah sie Damon an, der sie mit gerunzelter Stirn anstarrte. »Und,
Damon, du bist ein Teil von mir. Ich … empfinde etwas für dich.« Sie
86/308
schaute zwischen beiden hin und her und krallte die Finger ineinander.
»Ich möchte keinen von euch verlieren. Aber nach allem, was geschehen
ist, muss ich erst einmal herausfinden, wer ich
Weitere Kostenlose Bücher