Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
und blieb neben Matt in der
Umkleide stehen. »Du hast echt ein paar tolle Spielzüge drauf.«
»Danke«, erwiderte Matt, der sich die Schuhe schnürte und nun auf-
schaute. »Du warst aber auch ziemlich gut.« Matt wusste Christophers
Team-Qualitäten zu schätzen: Er war ein verlässlicher Mitspieler, der
seinen Job machte, sich auf das große Ganze konzentrierte und alles dafür
tat, das Team zu unterstützen. Und er war ein toller Mitbewohner, lässig
und entspannt. Er schnarchte nicht mal.
»Wollen wir das Essen in der Mensa ausfallen lassen und Pizza bestel-
len?«, fragte Christopher. »Heute ist der Abend, an dem ich dich bei Guit-
ar Heroe schlagen kann – ich spüre es.«
Matt lachte. In den zwei Wochen, in denen sie nun zusammenwohnten,
hatten er und Christopher sich durch sämtliche Wii-Games gearbeitet, die
Christopher mitgebracht hatte. »Okay, wir sehen uns dann auf dem
Zimmer.«
Mit einem breiten Grinsen schlug ihm Christopher zum Abschied auf
den Rücken und verschwand. Matt hatte es nicht eilig, seine Sachen ein-
zusammeln, und ließ auch die anderen Jungen bewusst aus dem
Umkleideraum gehen, bevor er sich selbst auf den Weg machte. Heute
Abend wollte er allein ins Wohnheim zurückkehren. Die Jungs waren alle
sehr nett, aber er war abgekämpft und müde. Noch nie zuvor hatte er
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seinen Körper so hart gefordert wie beim Footballtraining und bei den
Bewährungsproben für die Vitale Society. Aber es fühlte sich gut an.
Er fühlte sich gut. Selbst die fragwürdigsten Aufgaben der Vitale Soci-
ety machten irgendwie Spaß, weil er jede Menge klasse Leute kennen-
lernte. Dabei fand er einige Aktivitäten schon ziemlich dumm: Neulich
nachts hatten sie in Teams zusammenarbeiten müssen, um Häuser aus
Zeitungspapier zu basteln. Aber Ethan hatte recht gehabt. In einer
Gruppe bündelten sich alle Stärken der Kandidaten, und sie handelten
klug, entschlossen, talentiert und erfüllten alles, was man von ihnen er-
wartete. Und er, Matt Honeycutt, war einer von ihnen.
Seine Kurse waren ebenfalls sehr interessant. In der Highschool hatte
er ganz akzeptable Noten bekommen, im Wesentlichen aber nur das get-
an, was er unbedingt tun musste, um zu bestehen. Egal ob Bürgerkrieg,
Geometrie, Chemie, Wer die Nachtigall stört – seine Arbeit für die Schule
war immer zweit- oder sogar drittrangig gewesen, hinter seinen Freunden
und dem Sport.
Zwar handelte er in Dalcrest nicht grundlegend anders, aber plötzlich
erschlossen sich ihm in den meisten seiner Kurse Zusammenhänge, die er
vorher nie gesehen hatte. Er begann zu erkennen, dass Geschichte, Sprac-
hen, Naturwissenschaften und Literatur irgendwie zusammengehörten,
Bestandteil des menschlichen Denkens waren und die Menschen prägten.
Und das war wirklich interessant.
Vielleicht, dachte Matt mit einem selbstironischen Grinsen, »erblühe«
ich im College ja doch noch. So hatte es zumindest sein Vertrauenslehrer
an der Highschool vorhergesagt.
Es war noch nicht ganz dunkel, aber es wurde langsam spät. Matt
dachte an die Pizza und beschleunigte seinen Schritt.
Es waren nicht mehr viele Leute auf dem Campus unterwegs. Matt ver-
mutete, dass sie entweder in der Mensa saßen oder sich ängstlich in ihren
Zimmern verkrochen. Er selbst hatte keine Angst. Schließlich gab es er-
heblich verletzbarere Ziele als einen Footballspieler.
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Eine Brise kam auf, fuhr in die Zweige der Bäume auf dem College-Hof
und wehte Matt den frischen Geruch von Gras in die Nase. Es fühlte sich
immer noch an wie Sommer. In den Büschen blinkten einige frühabend-
liche Glühwürmchen. Er rollte mit den Schultern und genoss die sanfte
Dehnung nach dem harten Training.
Plötzlich hörte er einen Schrei. Irgendwo vor ihm, ein Junge, dachte
Matt, in purer Panik. Dann brach der Schrei abrupt ab.
Ohne nachzudenken, rannte Matt in die Richtung, aus welcher der
Schrei gekommen war. Sein Herz hämmerte, und er strengte sich an,
seine müden Beine anzutreiben. Doch als er aufmerksam lauschte, hörte
er nichts als seinen eigenen keuchenden Atem.
Als er um das Verwaltungsgebäude herumkam, erblickte er eine dunkle
Gestalt, die sich über irgendetwas im Gras gebeugt hatte und jetzt
fluchtartig davonraste. Die Gestalt bewegte sich so schnell , dass Matt
nicht einmal erkennen konnte, ob es sich um eine Frau oder einen Mann
handelte; das Gesicht wurde vollkommen von einer Kapuze verborgen.
Gerade als er ihr nachsetzen
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