Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
Instinkt.«
Es war Samanthas Idee gewesen, nach Sonnenuntergang zusammen
Wache zu schieben, um alle Orte auf dem Campus zu überprüfen, an den-
en das verschwundene Mädchen, Courtney, in der vergangenen Nacht
gesehen worden war. Sie wollten feststellen, ob sich nicht irgendeine Spur
finden ließ.
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Zu Beginn des Abends hatte Meredith sich noch sehr stark gefühlt, mit
ihrer Jägerschwester an ihrer Seite zum Kampf bereit. Doch jetzt kam es
ihr trotz Samanthas interessanten Erzählungen so vor, als streiften sie zi-
ellos über das Gelände.
»Die Polizei hat irgendwo hier drüben ihren Pullover gefunden«, sagte
Samantha. »Wir sollten dort nach Spuren suchen.«
»Alles klar.« Meredith verkniff sich die Bemerkung, dass die Polizei das
Gelände bereits mit Hunden durchkämmt und selbst nach Spuren
Ausschau gehalten hatte, sodass mit größter Wahrscheinlichkeit alles ge-
funden worden war, was es zu finden gab. Sie leuchtete mit der Taschen-
lampe über das Gras und den Weg. »Vielleicht sollten wir das besser tag-
süber tun, wenn wir mehr sehen können.«
»Da hast du recht«, antwortete Samantha und knipste ihre eigene
Taschenlampe an und aus. »Aber es ist trotzdem gut, dass wir nachts hier
draußen sind, meinst du nicht auch? Wir können Leute beschützen. Dafür
sorgen, dass die Dinge nicht noch mehr außer Kontrolle geraten. Wir
haben auch Bonnie letzte Nacht nach Hause begleitet und auf sie
aufgepasst.«
Unwillkürlich schauderte Meredith. Was wäre gewesen, wenn sie nicht
vorbeigekommen wären? Wäre dann Bonnie anstelle von Courtney
verschwunden?
Samantha sah Meredith an, und ein leichtes Lächeln umspielte ihre
Mundwinkel. »Es ist unser Schicksal, nicht wahr? Es ist das, wozu wir ge-
boren wurden.«
Meredith grinste zurück und vergaß vorübergehend ihre Furcht. Sie
schätzte Samanthas Begeisterung für die Jagd, ihr ständiges Streben,
besser zu werden und gegen die Dunkelheit zu kämpfen. »Unser Schick-
sal«, stimmte sie zu.
Von der anderen Seite des College-Hofs ertönte ein Schrei.
Ohne nachzudenken, rannte Meredith los. Samantha war einige Sch-
ritte hinter ihr und hatte erneut Mühe, mit ihr mitzuhalten. Sie muss an
ihrer Geschwindigkeit arbeiten, notierte Meredith kühl in Gedanken.
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Da erklang der Schrei erneut, schrill und angstvoll; er schien von der
linken Seite des Innenhofs zu kommen. Meredith wechselte die Richtung
und eilte darauf zu.
Wo? Sie musste jetzt ganz in der Nähe sein, aber sie konnte nichts se-
hen. Mit der Taschenlampe suchte sie den Boden ab.
Dort. Der Lichtstrahl erfasste zwei dunkle Gestalten, und die eine
drückte die andere zu Boden.
Für einen Moment war Meredith wie erstarrt, dann rannte sie auf die
beiden zu. »Hör auf!«, schrie sie. »Geh runter! Weg da!« Dann ging alles
ganz schnell. Die eine Gestalt sprang blitzschnell auf und lief davon.
Schwarzes Kapuzen-Sweatshirt, schwarze Jeans, notierte Meredith
erneut im Geiste. Kann nicht erkennen, ob es ein Junge oder ein Mäd-
chen ist.
Bei der anderen Gestalt, die auf den Boden gedrückt worden war, han-
delte es sich um ein Mädchen. Sie zuckte zusammen und schrie um Hilfe,
als Meredith an ihr vorbeilief. Aber Meredith konnte nicht stehen bleiben.
Samantha hinter ihr würde dem Mädchen helfen. Aber Meredith musste
versuchen, den Täter einzufangen. Mit langen Schritten flog sie über den
Boden, aber es reichte nicht.
Sie lief, so schnell sie konnte, aber die Person in Schwarz war noch
schneller. Als sie sich zu ihr umdrehte, erhaschte Meredith einen Blick auf
etwas Bleiches, bevor die Gestalt endgültig mit der Dunkelheit ver-
schmolz. Meredith rannte weiter und weiter, aber es war nichts mehr zu
sehen.
Endlich blieb sie stehen. Keuchend versuchte sie, wieder zu Atem zu
kommen, und ließ den Strahl ihrer Taschenlampe über den Boden
wandern, in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis zu finden. Sie konnte
einfach nicht glauben, dass sie versagt hatte, dass der Angreifer ihr en-
tkommen war.
Nichts. Keine Spur. Sie war so nah dran gewesen, und trotzdem wusste
sie nur, dass der Täter schwarze Kleider trug und irrsinnig schnell laufen
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konnte. Meredith fluchte und stampfte auf den Boden, dann riss sie sich
zusammen.
Als sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte, kehrte sie zu dem Opfer
zurück. Samantha hatte dem Mädchen inzwischen auf die Füße geholfen
und drückte es tröstend an sich. Das Mädchen wischte sich mit
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