Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
einem
Papiertaschentuch über die Augen.
Samantha sah Meredith an und schüttelte den Kopf. »Sie hat nichts
gesehen. Sie denkt, es war ein Mann, aber sie konnte sein Gesicht nicht
sehen.«
Meredith ballte die Fäuste. »Verdammt. Ich hab auch nichts gesehen.
Er war so schnell …« Sie verstummte plötzlich, als ihr ein Gedanke kam.
»Was ist los?«, fragte Samantha.
»Nichts«, antwortete Meredith. »Er ist entkommen.« Sie rief sich noch
einmal dieses flüchtige Bild vor Augen, als der Angreifer sich nach ihr
umgedreht hatte. Etwas Bleiches. Dieser bleiche Ton – sie hatte ihn erst
kürzlich irgendwo gesehen.
Dann fiel ihr Zander ein, wie er sein Gesicht zu Bonnie drehte. Sein
weißblondes Haar hatte genau den gleichen ungewöhnlichen Farbton. Es
war kein ausreichendes Indiz, nicht genug, um irgendjemandem davon zu
erzählen. Ein flüchtiger Eindruck, der nichts bedeutete.
Meredith versuchte, den Gedanken zu verdrängen, aber als sie wieder
in die Dunkelheit spähte, schlang sie die Arme um sich. Plötzlich fror sie.
Kapitel Neunzehn
Entschlossen und mit energischem Schritt marschierte Elena Richtung
Bibliothek. James dachte also, er könne so tun, als erinnere er sich nicht
an dieses V-Abzeichen? Die Art, wie er ihrem Blick ausgewichen war, die
schwache Röte auf seinen rundlichen Wangen, alles an ihm hatte ihr sig-
nalisiert, dass es da ein Geheimnis über ihn und ihre Eltern gab. Ein Ge-
heimnis, das er ihr nicht anvertrauen wollte.
Also musste sie selbst tätig werden. Und die Bibliothek schien der
richtige Ort, um damit anzufangen.
»Elena«, rief jemand, und sie hielt inne. Sie war so auf ihr Vorhaben
konzentriert, dass sie Damon beinahe übersehen hätte, der draußen vor
der Bibliothek an einem Baum lehnte. Er lächelte sie mit unschuldig fra-
gender Miene an.
»Was machst du denn hier?«, fragte sie. Es war geradezu unheimlich,
ihn hier bei hellem Tageslicht auf dem Campus zu sehen, als sei er Teil
eines Bildes, das von einem anderen überlagert wurde. Er gehörte nicht in
diesen Teil ihres Lebens, nicht solange sie ihn nicht selbst dazu einlud.
»Ich genieße den Sonnenschein«, erwiderte Damon trocken. »Und die
Aussicht.« Mit einer umfassenden Geste deutete er auf die Bäume und
Gebäude des Campus sowie auf einen Schwarm hübscher Mädchen, die
auf der anderen Seite des Weges kicherten. »Und was machst du hier?«
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»Ich studiere an diesem College«, gab Elena zurück. »Also ist es auch
nicht seltsam, wenn ich in der Nähe der Bibliothek herumhänge, wenn du
verstehst, was ich meine.«
Damon lachte. »Du hast es erfasst, Elena.« Er machte ein paar Schritte
auf sie zu. »Ich hatte gehofft, dich zu treffen. Oder einen deiner Freunde.
Ich bin so einsam, dass selbst dein Matt eine willkommene Abwechslung
wäre.«
»Wirklich?«, fragte sie.
Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Natürlich will ich immer nur
dich sehen, Prinzessin. Aber ich bin aus einem anderen Grund hier. Sollte
ich mich nicht um das Verschwinden dieser Studenten kümmern? Also
muss ich ein wenig Zeit auf dem Campus verbringen.«
»Oh, natürlich.« Elena überlegte, wie sie weiter vorgehen sollte. Offizi-
ell sollte sie überhaupt nicht mit Damon herumhängen. Die Bedingung
für die Trennung beziehungsweise Auszeit von Stefano war, dass sie kein-
en der Salvatore-Brüder sah. Jedenfalls nicht so lange, bis sie ihre Prob-
leme miteinander aufgearbeitet hatten und diese Sache zwischen ihnen
dreien Zeit gehabt hatte abzukühlen. Aber sie hatte diese Regel bereits
gebrochen, indem sie Damon erlaubte, in ihrem Zimmer auf dem Boden
zu schlafen – im Übrigen eine viel größere Sache als ein gemeinsamer Be-
such der Bibliothek.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte Damon. »Irgendetwas, wobei ich behil-
flich sein kann?«
Wirklich, ein Ausflug in die Bibliothek war etwas völlig Unverfäng-
liches. Elena traf ihre Entscheidung. Sie und Damon waren schließlich
Freunde. »Ich versuche, Informationen über meine Eltern herauszufind-
en«, antwortete sie. »Willst du mir dabei helfen?«
»Aber gewiss, meine Schöne«, erwiderte Damon und ergriff ihre Hand.
Ein leiser Schauder des Unbehagens durchfuhr Elena. Aber seine Finger
schlossen sich beruhigend fest um ihre und sie verscheuchte ihre
Bedenken.
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Für das Archiv war eine uralte Bibliothekarin mit Tennisschuhen
zuständig, die ihnen erklärte, wie man in der Datenbank der College-
Chronik
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