Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
recherchierte, bevor sie ihnen einen Computer in der Ecke
zuwies.
»Uh«, murmelte Damon und tippte verächtlich auf eine Taste. »Ich
habe nichts gegen Computer, aber Bücher und Bilder sollten real sein,
nicht auf einer Maschine.«
»Aber so kann jeder alles einsehen«, wandte Elena geduldig ein. Solche
Gespräche hatte sie auch schon mit Stefano geführt. Die Salvatore-Brüder
mochten im Alter von College-Studenten sein, aber es gab einige Dinge in
der modernen Welt, die sie einfach nicht in ihren Kopf bekamen.
Elena klickte das Fotoarchiv der Datenbank an und gab den Namen ihr-
er Mutter ein, Elizabeth Morrow.
»Sieh mal, da sind jede Menge Bilder.« Sie überflog die Fotos und
suchte nach dem einen, das sie an der Wand im Flur hatte hängen sehen.
Es wimmelte von Aufnahmen verschiedener Theaterproduktionen. James
hatte ihr erzählt, dass ihre Mutter als Kostüm- und Bühnenbildnerin ein
Star gewesen war, aber es sah so aus, als hätte sie bei einigen Theater-
stücken auch selbst mitgespielt. Auf einem Bild tanzte Elenas Mutter mit
zurückgeworfenem Kopf und ihr Haar flog in alle Richtungen.
»Sie sieht aus wie du.« Damon betrachtete verträumt den Bildschirm,
den Kopf zur Seite geneigt, die dunklen Augen auf Elizabeth fixiert. »Aber
ihr Gesicht ist etwas weicher, hier um den Mund herum« – er tippte auf
den Monitor –, »und unschuldiger als deins.« Er sah Elena neckend von
der Seite an. »Ein netteres Mädchen als du, würde ich sagen.«
»Ich bin nett«, protestierte Elena gekränkt und klickte schnell weiter,
um endlich das Foto zu finden, nach dem sie suchte.
»Du bist zu klug, um nett zu sein, Elena«, stellte Damon klar, aber
Elena hörte kaum zu.
»Da ist es«, sagte sie. Das Foto war genau so, wie sie es in Erinnerung
hatte: James und ihre Eltern unter einem Baum, lebenslustig und un-
glaublich jung. Elena zoomte das Bild heran und nahm die Anstecknadel
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am Hemd ihres Vaters ins Visier. Definitiv ein V. Es war blau, ein tiefes,
dunkles Blau, das konnte sie jetzt ganz deutlich erkennen; die gleiche
Farbe wie die der Lapislazuli-Ringe, die Damon und Stefano trugen, um
sich gegen das Sonnenlicht zu schützen.
»Dieses Abzeichen habe ich schon mal irgendwo gesehen«, sagte Da-
mon plötzlich. Er runzelte die Stirn. »Aber ich erinnere mich nicht daran,
wo.«
»Ist das schon länger her?«, hakte Elena nach, aber Damon zuckte nur
die Achseln. »Mein Professor, James Campbell, der Mann mit dem Bart
dort auf dem Bild, sagte, meine Mum hätte diese Anstecknadeln für sie
alle gemacht«, erzählte sie und zoomte das Foto noch näher heran, sodass
das körnige V den ganzen Bildschirm ausfüllte. »Aber ich glaube ihm
nicht. Und es sieht auch nicht selbst gemacht aus, es sei denn, jemand
hätte ein professionelles Atelier zur Verfügung gehabt, in dem Schmuck-
stücke gefertigt werden. Ich glaube, der Anstecker ist emailliert.« Sie gab
V in die Suchmaschine ein, aber es kam nichts dabei heraus. »Ich wün-
schte, ich wüsste, wofür es steht.«
Mit einem weiteren anmutigen Schulterzucken ergriff Damon die Maus
und zoomte auf verschiedene Teile des Fotos. Da hörte Elena ein Ger-
äusch und sie fuhr herum. Die Bibliothekarin hatte ein Buch fallen lassen,
und Elena stellte beunruhigt fest, dass die Frau sie intensiv beobachtete.
Sie kniff die Lippen zusammen, als ihre Blicke sich trafen, dann schaute
sie weg und ging ein Stück den Gang hinunter. Aber Elena hatte das un-
heimliche Gefühl, dass die Bibliothekarin sie immer noch beobachtete
und belauschte.
Sie drehte sich wieder um, um Damon davon zu erzählen, doch dann
hielt sie inne – schier überwältigt von seiner bloßen Anwesenheit. Er
passte ebenso wenig an diesen trostlosen, gewöhnlichen Computerarbeit-
splatz einer Bibliothek wie ein wildes Tier an einen Schreibtisch.
Hatte sie ihn schon je zuvor unter dem grellweißen Licht von Leucht-
stoffröhren gesehen? Etwas an dieser Beleuchtung brachte die reine
Blässe seiner Haut noch besser zur Geltung, das Licht warf lange Schatten
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auf seine Wangenknochen und versank ohne Spiegelung im samtigen
Schwarz seiner Haare und Augen. Am Kragen seines Hemdes standen
zwei Knöpfe offen und Elena war wie hypnotisiert von dem leichten Spiel
der Muskeln an seinem Hals und seinen Schultern.
»Um was könnte es sich bei der Vitale Society handeln?«, fragte er
plötzlich und riss sie aus ihrem Tagtraum.
»Was?«, gab sie verwirrt
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