Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
ungeduldig auf
den Fußballen.
»Hör auf, so herumzuzappeln«, ermahnte Meredith sie, während sie
den Hals reckte, um die Menschenmenge vor McAllister House zu
überblicken. Der Eingang zum Wohnheim glich einem Nadelöhr, durch
das alle Gäste sich quälend langsam zwängten. Sie zitterte in ihrer
dünnen Bluse; die Abende wurden allmählich kalt.
»Sicherheitsleute an der Tür«, stellte Bonnie fest, als sie dem Eingang
näher kamen. »Überprüfen die etwa unsere Ausweise, bevor sie uns
hereinlassen?« Ihre Stimme war schrill vor Entrüstung.
»Sie kontrollieren nur, ob du einen Studentenausweis hast«, erklärte
ein Junge in der Schlange, »um sicherzustellen, dass du kein verrückter
Killer von außerhalb des Campus bist.«
»Ja«, sagte sein Freund, »nur Killer vom Campus haben Zutritt.«
Einige Studenten lachten nervös. Bonnie verstummte und biss sich auf
die Lippen, und Meredith schauderte erneut, diesmal allerdings nicht we-
gen der Kälte.
Als sie an der Reihe waren, prüften die Sicherheitsleute rasch ihre Aus-
weise und winkten sie durch. Das Wohnheim war voll, Musik dröhnte,
aber niemand schien wirklich in Partylaune zu sein. Die Leute standen in
kleinen Gruppen zusammen, redeten mit gedämpfter Stimme und
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schauten sich nervös um. Die Anwesenheit des Sicherheitspersonals erin-
nerte alle an die unsichtbare Gefahr, die auf dem Campus lauerte. Jeder
kam als Täter infrage. Er konnte sich sogar genau in diesem Moment in
McAllister House aufhalten.
Bei diesem Gedanken sah Meredith ihre Kommilitonen plötzlich mit
anderen Augen: Was war eigentlich mit dem lockenköpfigen Typ in der
Ecke los – musterte er das hübsche Mädchen neben ihm nicht ziemlich ei-
genartig? Und dieser bärtige Student, hatte der nicht ein ziemlich fieses
Gesicht? Mit einem Mal fühlte sich Meredith von bösartig verzerrten
Fratzen umgeben. Sie holte tief Luft, atmete gleichmäßig aus und ein und
rief sich selbst zur Vernunft, bis alle wieder normal aussahen.
Da kam Samantha auf sie zu, einen roten Plastikbecher in der Hand.
»Hier«, sagte sie und reichte Meredith eine Cola. »Heute Abend sind alle
total angespannt, es ist richtig unheimlich. Wir halten besser die Augen
offen und trinken keinen Alkohol«, fügte sie hinzu und war damit genau
auf Meredith’ Wellenlänge.
Bonnie wollte nach Zander suchen und drückte Meredith zum Abschied
den Arm, bevor sie in der Menge verschwand. Meredith nippte an ihrem
Getränk und beäugte erneut die Leute um sie herum.
Trotz der gedrückten Stimmung, die allgemein herrschte, schafften es
ein paar der Gäste, sich zu amüsieren. Ein Pärchen küsste sich so ver-
sunken, als gäbe es niemanden sonst auf der Welt – und vor allem keine
mysteriösen Überfälle und verschwundenen Studenten. Meredith
durchzuckte ein scharfer Stich. Sie vermisste Alaric, sie spürte die Sehn-
sucht in jeder Faser ihres Körpers, auch wenn sie nicht bewusst an ihn
dachte.
»Der Killer könnte genau hier auf dieser Party sein«, bemerkte Sam-
antha unglücklich. »Müssten wir nicht irgendetwas spüren? Wie können
wir die anderen beschützen, wenn wir nicht wissen, mit wem wir es zu tun
haben?«
»Ich weiß«, antwortete Meredith. Die Menge teilte sich etwas und sie
erkannte überrascht ein Gesicht, mit dem sie hier nicht gerechnet hatte:
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Stefano lehnte an der Wand gegenüber. Seine Augen leuchteten auf, als er
sie sah, aber er schaute an ihr vorbei. Seine Lippen verzogen sich zu
einem schwachen, hoffnungsvollen Lächeln.
Armer Kerl. Meredith hielt zwar Elenas Entschluss, auf Abstand zu ge-
hen, für richtig – schließlich bedeutete dieses Hin und Her zwischen
beiden Salvatore-Brüdern nur Ärger –, aber Stefano tat ihr trotzdem leid.
Er sah genauso aus, wie Meredith sich fühlte, wenn sie an Alaric dachte –
einsam und voller Sehnsucht. Für ihn musste es sogar noch schlimmer
sein, weil Elena in der Nähe war und weil sie sich nicht gerade ein-
vernehmlich getrennt hatten.
»Entschuldige mich eine Sekunde«, sagte sie zu Samantha und ging zu
Stefano hinüber.
Er begrüßte sie und erkundigte sich nach ihren Kursen und ihrem
Training, obwohl sie ihm ansah, dass er darauf brannte, über Elena zu re-
den. Wie immer war er einfach unglaublich höflich.
»Sie ist noch nicht hier, aber sie kommt bestimmt gleich«, erklärte sie
ihm. »Sie hatte noch was zu erledigen.« Er lächelte erleichtert und dank-
bar, dann runzelte er
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