Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
Moment, »vielleicht lässt sich das
Paneel an dieser Stelle nach oben schieben.« Sie rüttelte an der Holzver-
täfelung, bis diese laut knirschte und sich tatsächlich bewegen ließ.
»Huh«, murmelte Chloe verwirrt. »Wow, wie ein Geheimfach. Ist aber
anscheinend seit einer ganzen Weile nicht mehr geöffnet worden.«
Sobald sie es geschafft hatte, das Paneel ganz hochzudrücken, blickten
Matt und sie erstaunt in den dahinter liegenden Raum; er war ziemlich
klein, nur etwa dreißig Zentimeter hoch und breit und einige Zentimeter
tief, und er war voller Spinnweben. Im Innern befand sich etwas
Rechteckiges, eingewickelt in ein Tuch, das früher wahrscheinlich einmal
weiß gewesen sein musste, jetzt jedoch grau von Staub war.
»Es ist ein Buch«, sagte Matt und griff danach. Die dicke, weiche
Dreckschicht auf der Außenseite des Tuchs beschmutzte ihm die Hände.
Das Buch darunter war jedoch sauber.
»Wow«, sagte Chloe leise.
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Es sah alt aus, richtig alt. Der dunkle Ledereinband bröckelte bereits,
und die Ränder der Seiten waren rau, als seien sie von Hand geschnitten
worden, nicht mit einer Maschine. Matt hielt das Buch ein wenig schräg
und konnte ein paar goldene Überreste erkennen, die einst den Titel gez-
iert haben mussten.
Er schlug das Buch in der Mitte auf. Es war handgeschrieben, ordent-
liche, kräftige Schriftzüge in schwarzer Tinte. Aber er konnte die Worte
nicht entziffern.
»Vielleicht ist es Latein«, schlug Matt vor. »Hast du je Latein gelernt?«
Chloe schüttelte den Kopf. Matt blätterte auf die erste Seite zurück und
ein Wort sprang ihm ins Auge. Vitale.
»Vielleicht ist es die Geschichte der Vitale Society?«, fragte Chloe.
»Oder es sind die uralten Geheimnisse der Gründer. Cool! Wir sollten es
Ethan geben.«
»Ja, sicher«, erwiderte Matt geistesabwesend. Er blätterte einige weit-
ere Seiten um und die Tinte wechselte von Schwarz zu Dunkelbraun. Sieht
aus wie getrocknetes Blut, schoss es ihm durch den Kopf. Er schauderte,
dann verdrängte er den Gedanken. Es war einfach irgendeine alte Tinten-
art, die mit der Zeit zu Braun verblasst war.
Ein Wort erkannte er, es stand drei, nein, vier Mal auf der einen Seite:
Mort. Das bedeutete Tod, soviel er wusste. Matt zeichnete das Wort
stirnrunzelnd mit dem Finger nach. Unheimlich.
»Ich werde es Ethan zeigen«, erklärte Chloe entschlossen, sprang auf
und nahm ihm das Buch ab. Sie durchquerte den Raum und unterbrach
Ethans Gespräch mit einem anderen Mädchen. Matt beobachtete, wie
sich auf Ethans Gesicht langsam ein Lächeln ausbreitete, als er das Buch
entgegennahm.
Nach einigen Minuten kehrte Chloe grinsend zurück. »Ethan war ganz
aufgeregt«, berichtete sie. »Er sagte, er würde uns alles darüber erzählen,
sobald er jemanden gefunden hat, der das Buch übersetzt.«
»Toll«, nickte Matt und schüttelte den letzten Rest seines Unbehagens
ab. Das hier war Chloe, voller Energie und Leben, und in ihrer Nähe
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wollte er nicht an Tod oder Blut oder irgendetwas anderes Morbides den-
ken. »Hey«, sagte er, schob die düsteren Gedanken endgültig beiseite und
konzentrierte sich auf die goldenen Strähnchen in ihren dunklen Locken.
»Gehst du heute Abend zu der Wohnheim-Party in McAllister House?«
Vielleicht nicht hinters Ohr kämmen, überlegte Elena und musterte sich
kritisch im Spiegel. Sie entfernte die Haarspange und ließ ihre goldene
Mähne, die sie mit einem Glätteisen bearbeitet hatte, samtig über die
Schultern fallen. Viel besser.
Sie sah gut aus, stellte sie fest, während sie den Blick über ihr Spiegelb-
ild schweifen ließ. Ihr kurzes schwarzes Trägerkleid betonte ihre helle
Haut, die wie ein Rosenblatt schimmerte, und ihr glänzendes Haar. Ihre
dunkelblauen Augen wirkten besonders groß.
Aber was spielt es ohne Stefano für eine Rolle, wie ich aussehe?
Sie beobachtete, wie sich ihr Mund verzog, und verbot sich diesen
Gedanken. Wie sehr sie auch das Gefühl von Stefanos Hand in ihrer ver-
misste, wie sehr sie sich auch nach seinen Küssen sehnte, wie sehr sie sich
auch wünschte, mit ihm zusammen zu sein – im Augenblick war das un-
möglich. Sie war nicht Catarina. Und sie war zu stolz, um Trübsal zu
blasen. Es ist nicht für immer, sagte sie sich entschlossen.
Bonnie kam herbei, schlang die Arme um Elenas Schultern und be-
trachtete sie beide im Spiegel. »Na, wie sehen wir aus?«, fragte sie gut
gelaunt. »Perfekt, würde ich sagen. Bist du
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