Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
weil ich mir nicht sicher war. Ich bin mir auch jetzt
nicht sicher, aber …« Sie schilderte Elena ihre Eindrücke von der schwarz
gekleideten Gestalt, ihren flüchtigen Blick auf etwas Bleiches unter dem
Kapuzen-Sweatshirt, auf fast weißes Haar.
Elena runzelte die Stirn und ihre Finger gerieten ins Stocken.
»Zander?«, fragte sie.
Sie betrachteten beide Bonnies zerwühltes Bett.
»Sie mag ihn wirklich«, sagte Meredith langsam. »Würde sie es nicht
merken, wenn etwas mit ihm nicht stimmte? Du weißt schon …« Mit einer
vagen Geste um ihren Kopf deutete sie Bonnies Fähigkeit an, in Visionen
zu versinken.
»Darauf können wir uns nicht verlassen«, entgegnete Elena stirnrun-
zelnd. »Und sie erinnert sich auch nicht an die Dinge, die sie sieht. Außer-
dem finde ich nicht, dass er der Richtige für Bonnie ist«, setzte sie hinzu.
»Ich meine, er sieht gut aus und ist freundlich, aber irgendwie wirkt er
merkwürdig, findest du nicht auch? Und seine Freunde sind echte
Mistkerle. Ich weiß, schreckliche Freunde zu haben heißt nicht, dass man
selbst etwas Schreckliches tut, aber ich vertraue ihm nicht.«
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»Könntest du Stefano bitten, ihn im Auge zu behalten?«, fragte
Meredith. »Ich weiß, ihr habt eine Auszeit vereinbart, aber das hier ist
wichtig, und ein Vampir ist am besten geeignet, um ihn zu beobachten.«
Stefano hatte auf der Party so traurig ausgesehen, erinnerte sie sich, war-
um also sollte Elena ihn nicht anrufen? Das Leben war zu kurz. Sie prüfte
erneut mit dem Daumen die Klinge des Messers. Besser. Dann legte sie
das geschärfte Messer beiseite und griff nach dem nächsten.
Elena antwortete nicht, und als Meredith aufblickte, sah sie, dass ihre
Freundin den Stab anstarrte und dass ihre Lippen zitterten. »Stefano
spricht nicht mehr mit mir«, stieß sie hervor. »Ich glaube nicht – ich weiß
nicht, ob er uns helfen würde.« Sie schloss energisch den Mund und woll-
te offensichtlich nicht mehr darüber reden.
»Oh«, murmelte Meredith. Es war schwer, sich vorzustellen, dass Ste-
fano einmal nicht das tat, was Elena wollte, aber es war auch klar, dass
Elena ihn nicht fragen würde. »Soll ich Damon anrufen?«, schlug
Meredith widerstrebend vor. Der ältere der beiden Brüder war eine echte
Nervensäge und sie traute ihm nicht wirklich, aber als Detektiv war er
sicher ziemlich gut zu gebrauchen.
Elena atmete scharf ein, biss die Zähne zusammen und nickte
entschlossen. »Nein, ich werde ihn anrufen«, erwiderte sie. »Ich werde
Damon bitten, Nachforschungen über Zander anzustellen.«
Meredith seufzte, lehnte sich an die Wand und ließ das Messer auf ihr
Bett fallen. Plötzlich war sie schrecklich müde. Es schienen eine Million
Jahre vergangen zu sein, seit sie am Morgen im Trainingsraum auf Sam-
antha gewartet hatte, aber es war noch nicht einmal Mittagessenszeit. Sie
und Elena schauten beide wieder zu Bonnies Bett hinüber.
»Wir müssen mit ihr über Zander reden, nicht wahr?«, fragte Elena
leise. »Wir müssen sie fragen, ob sie gestern die ganze Nacht zusammen
waren. Und wir müssen sie warnen.«
Meredith nickte und schloss kurz die Augen, dann ließ sie ihre Wange
an die kühle Wand sinken. So müde sie auch war, sie wusste, dass sie im-
mer wieder die Bilder von Samanthas Tod vor Augen haben würde, wenn
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sie sich auch nur für einen Moment Ruhe gestattete. Sie hatte keine Zeit,
um sich auszuruhen, nicht solange dort draußen ein Killer war. »Sie wird
nicht gerade glücklich darüber sein.«
Kapitel Siebenundzwanzig
Werfen.
Fangen.
Dribbeln.
Werfen.
Fangen.
Dribbeln.
Werfen.
Fangen … Stefano stand an der Freiwurflinie des verlassenen Basket-
ballplatzes, dribbelte mechanisch und warf den Ball durchs Netz. Er
fühlte sich innerlich völlig leer, wie ein Automat, der perfekte, identische
Würfe produzierte.
Er mochte Basketball nicht besonders. Ihm fehlte dabei sowohl der
Körperkontakt, der einem beim Football ein gutes Gefühl gab, als auch
die mathematische Präzision von Billard. Aber immerhin lenkte ihn der
Sport ab. Er war die ganze Nacht und den ganzen Morgen auf gewesen,
und er konnte das endlose Hin und Her seiner eigenen Füße nicht mehr
ertragen – geschweige denn den Anblick seiner eigenen vier Wände.
Was sollte er jetzt tun? Ohne Elena erschien ihm der das College
sinnlos. Er versuchte, seine Erinnerungen an die Jahrhunderte aus-
zublenden, in denen er allein durch die Welt gezogen
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